Neuer Teilchendetektor-Typ soll Standardmodell und mögliche Erweiterungen testen
Protonen, Elektronen und Neutrinos
Knapp fünfzehn Minuten beträgt die Halbwertszeit eines freien Neutrons. Irgendwann zerfällt es in ein Proton, ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino. „Das Standardmodell der Teilchenphysik sagt nicht nur voraus, in welche Teilchen das Neutron zerfällt, es liefert auch Vorhersagen über Korrelationen – etwa den Zusammenhang zwischen der magnetischen Orientierung des Neutrons und der Richtung, in die sich die Zerfallsprodukte bewegen“, erklärt Gertrud Konrad.
Neue Messapparate sollen die Untersuchung solcher Korrelationen in den nächsten Jahren deutlich verbessern. „Bisher betrachtete man den Neutronenstrahl bloß in einem relativ kleinen räumlichen Bereich von einigen Zentimetern. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Neutron genau dort zerfällt, ist eher gering“, erklärt
Gertrud Konrad. Nun will man Experimente aufbauen, bei denen Neutronenzerfälle entlang einer acht Meter langen Wegstrecke (PERC) aufgespürt werden können. Dazu müssen die Elektronen und Protonen, die beim Zerfall entstehen, ganz gezielt zu einem Detektor geleitet werden.
Klug angelegte Magnetfelder
Normalerweise geschieht das mit Hilfe eines Magnetfeldes. „Die geladenen Teilchen werden durch ein Magnetfeld in einer Spule abgelenkt und bewegen sich entlang einer Spiralbahn um die Magnetfeldlinien“, sagt Gertrud Konrad. In der Nähe des Detektors wird dann normalerweise dieses Lenkungs-Magnetfeld abgeschirmt, stattdessen wird im Detektions-Bereich ein anderes, im rechten Winkel dazu stehendes Analyse-Magnetfeld verwendet, um die Bahn der Teilchen abzulenken. Abhängig vom Impuls der Teilchen werden sie dadurch an unterschiedliche Stellen des Detektors gelenkt. So lässt sich die Impulsverteilung der Teilchen untersuchen.
Gertrud Konrad und Team hatten eine ganz andere Idee: Sie berechneten, wie sich die Teilchen verhalten, wenn man die Spule zur Erzeugung des Lenkungs-Magnetfelds leicht krümmt: „Die Spiralbahn, die diese Teilchen beschreiben, windet sich dann nicht mehr um eine geradlinige Magnetfeldlinie, sondern um einen sanft gebogenen Halbkreis mit einem Durchmesser von 80 Zentimetern. Dadurch werden die Teilchen innerhalb der Spule je nach Impuls um einige Zentimeter abgelenkt, und das kann man am Ende sehr gut messen.“ Das Leitungs-Magnetfeld wird also gleichzeitig zum Analyse-Magnetfeld – das ist die Grundidee des neuen „R Kreuz B-Detektors“.
Besonders für geladene Teilchen mit sehr geringem Impuls ist der neue Detektortyp deutlich besser geeignet als bisher verwendete Varianten. „Das ist sehr wichtig, denn gerade in diesem Bereich liefert das Standardmodell der Teilchenphysik interessante Vorhersagen, die wir überprüfen möchten“, sagt Gertrud Konrad. Auf wichtigen internationalen Konferenzen hat sie ihr neues Teilchendetektor-Konzept bereits vorgestellt und stieß damit auf großes Interesse. Der neuartige Detektor soll nun in den nächsten zwei Jahren am geplanten Zentrum für die Teilchenphysik in Wien entwickelt und aufgebaut werden, bevor man sich mit ihm in München auf die Suche nach Neutronen-Zerfallsprodukten macht.
Jenseits des Standardmodells
Es gibt heute viele theoretische Modelle, die über das Standardmodell der Teilchenphysik hinausgehen – etwa verschiedene Supersymmetrie-Modelle. Manche von ihnen können am CERN in Genf bei extrem hochenergetischen Teilchenkollisionen untersucht werden, doch gewisse Vorhersagen lassen sich nur mit anderen Instrumenten untersuchen. „Experimente wie das am PERC in München, wo wir unseren Detektor aufbauen werden, sind eine wichtige Ergänzung zum CERN“, sagt Gertrud Konrad. Man braucht viele unterschiedliche Messungen, um herauszufinden, welche teilchenphysikalischen Modelle die Wirklichkeit am besten beschreiben.
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