Neue Formel für passendes Trägermaterial für Graphen
Sforzini et al., Physical Review Letters, Copyright 2015 by The American Physical Society
Härter als Diamant, fester als Stahl und um ein Vielfaches leitfähiger als Silizium – wegen dieser und weiterer ungewöhnlicher Eigenschaften wird Graphen weltweit intensiv erforscht. Der Werkstoff ist gerade einmal eine Atomlage dick. Seine Verwendung ist bisher allerdings überwiegend auf Laborexperimente beschränkt. Eine der großen Aufgaben auf dem Weg in die Praxis ist die Suche nach geeigneten Trägermaterialien, ohne die sich das extrem dünne Material für kaum eine Anwendung nutzen lässt.
"Wir haben einen einfach zugänglichen Parameter gesucht, mittels dessen sich verschiedene Substrate direkt miteinander vergleichen lassen", berichtet Dr. François Bocquet. "Als entscheidendes Kriterium hat sich dabei der atomare Abstand zwischen der Graphen-Schicht und dem darunter liegenden Substrat herausgestellt", erläutert der Physiker und Helmholtz-Postdoc vom Jülicher Peter Grünberg Institut (PGI-3).
Unter Berücksichtigung der sogenannten Van-der-Waals-Radien – einem bekannten Tabellenwert für die Ausdehnung der Atome im nicht-gebundenen Zustand – lässt sich aus dem Abstand direkt die Stärke der Wechselwirkung ablesen. Computersimulationen von Wissenschaftlern des Berliner Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft bestätigen dieses Ergebnis.
Hochpräzise Messungen mit Röntgenlicht
An der Synchrotronstrahlungsquelle Diamond im britischen Didcot, Oxfordshire, haben François Bocquet und seine Kollegen den Abstand zwischen Graphen und Substrat mit Röntgenstrahlung und einer Genauigkeit im Pikometerbereich vermessen. Ein Pikometer entspricht einem Tausendstel Nanometer oder auch einem Milliardstel Millimeter, sodass sich auf diese Weise Längenunterschiede weit unterhalb eines Atomdurchmessers feststellen lassen.
Als Probe verwendeten die Forscher Siliziumkarbid, an dessen Grenzfläche Wasserstoff eingebracht wurde: Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart haben das speziell präparierte Halbleitermaterial erst vor wenigen Jahren als Trägermaterial für Graphen entwickelt. Anders als auf den sonst üblichen metallischen Substraten lagert sich das Graphen darauf praktisch wechselwirkungsfrei an und behält so seine herausragenden elektrischen Eigenschaften.
"Mit dem Aufkommen dieser neuen Klasse von Substraten wurde es Zeit für ein neues Kriterium, mit dem sich noch sehr schwache Wechselwirkungen präzise nachweisen lassen", erläutert der Jülicher Institutsdirektor Prof. Stefan Tautz, Leiter des Bereichs "Functional Nanostructures at Surfaces" (PGI-3). "Mit den bisherigen Verfahren, etwa mittels Photoelektronenspektroskopie, konnte man den Grad der Interaktion mit dem Substrat nur indirekt ableiten; solche schwachen Bindungen ließen sich damit kaum erfassen."