Spurensuche in der Atmosphäre: Erste Messdaten von Kühlmitteln der 4. Generation

26.03.2015 - Schweiz

Erst seit wenigen Jahren sind halogenierte Kühl- und Schäummittel der 4. Generation im Umlauf. Sie ersetzen langlebige Treibhausgase wie R134a, die in (Auto-)Klimaanlagen, Kühlschränken und in diversen Schäumen verwendet wurden. Nun haben Empa-Forschende erste Messungen zu Verbreitung und Vorkommen dieser neuen Substanzen veröffentlicht. Sie zeigen, dass die neuen Kühlmittel auch bei uns rege genutzt werden – mit steigender Tendenz.

Die neuste Generation halogenierter Kühlmittel ist ein grosser Fortschritt: Die Substanzen zersetzen sich in der Atmosphäre schneller, ihre Lebensdauer ist wesentlich kürzer. Daher tragen sie deutlich weniger zum Treibhauseffekt bei als ihre stabilen Vorgänger. Die neuen Substanzen mit Namen wie HFC-1234yf, HFC-1234ze(E) und HCFC-1233zd(E) werden mittlerweile auch vermehrt eingesetzt, wie erste Messergebnisse der Empa auf dem Jungfraujoch und in Dübendorf zeigen. Seit Beginn der Messungen im Jahr 2011 – also zeitgleich mit der Markteinführung der neuen Substanzen – nahm die Zahl der Ereignisse, bei denen diese drei Kühlmittel nachgewiesen werden können, stetig zu. Das lässt darauf schliessen, dass immer mehr Hersteller auf die Verwendung der Kühlmittel der 3. Generation verzichten und auf die neue Generation umsteigen.

Das Team um Empa-Forscher Martin Vollmer hat als erstes die neuste Generation an Kühlmitteln in der Atmosphäre aufgespürt. «Die Kühlmittel der ersten Generation kamen in den 1930er-Jahren auf den Markt. Erst 40 Jahre später begannen Messungen, um die Stoffe in der Luft nachzuweisen. Diese Diskrepanz zwischen Markteinführung und ersten Messungen verringerte sich mit jeder Generation», so Vollmer.

Messung ab Tag 1

Bei den neusten Kältemitteln verfolgen die Forscher die Verbreitung in der Atmosphäre seit deren Markteinführung. Spannend daran: Auf dem Jungfraujoch tauchte die Substanz HFC-1234yf zu Beginn der Messreihe nicht auf. Ein Beweis dafür, dass die Substanz anthropogen ist – also vom Menschen gemacht. «Null-Werte sind nichts Negatives. Im Gegenteil. So können wir nachweisen, dass die Substanzen in der Natur so nicht vorkommen. Auch das ist eine wichtige Erkenntnis», erklärt Vollmer. Es dauerte zwei Jahre, bis die Konzentrationen der neuen Substanz in der Atmosphäre so hoch waren, dass sie auch auf dem Jungfraujoch nachgewiesen werden konnten. Vollmer sieht in den Untersuchungen ein funktionierendes Frühwarnsystem. Sobald eine neue Substanz auf dem Markt ist, können die Forschenden sie überwachen und genau angeben, ab wann die Stoffe in unserer Atmosphäre erstmals auftauchen – und wie lange sie sich halten. Während beispielsweise die erste Generation von Kühlmitteln Jahrzehnte in unserer Atmosphäre erhalten bleibt (und auch heute noch in Spuren nachgewiesen werden kann), «überleben» die neuen Kühlmittel nur noch wenige Tage bis Wochen, ehe sie sich in der Atmosphäre zersetzen. Dieser Abbau stellt die Wissenschaft indes vor neue Probleme. Das Kühlmittel HFC-1234yf etwa ist nicht unproblematisch. Zwar zerfällt es an Luft schneller als seine Vorgänger, doch führt sein Abbau zu einem neuen Schadstoff: Trifluoressigsäure, ein extrem stabiles Molekül, das in der Natur nicht weiter abgebaut wird. Es reichert sich in Wasser und Lebewesen an und ist ausserdem für bestimmte Pflanzen, insbesondere bestimmte Algenarten, giftig. Aus atmosphärischer Sicht ist das Problem also gelöst, allerdings könnten nun verschiedene Ökosysteme vor neuen Herausforderungen stehen– und somit auch die Forschung. Für diese wird es immer wichtiger, nicht mehr nur die Halbwertszeit der neuen Substanzen in der Atmosphäre zu beachten, sondern auch die Auswirkungen ihrer Abbauprodukte.

Moleküle aus aller Welt

Die Messungen und Modellierungen aus der Schweiz zeigen jedoch nicht nur, ob und in welchem Umfang gewisse Stoffe in der Region vorhanden sind, sondern auch, woher sie stammen. Im Falle des Schäummittels HFC-1234ze liegt das «Epizentrum» der Emissionen an der Grenze zwischen Belgien und den Niederlanden. Dies haben die Forschenden der Empa durch ihre Daten im Abgleich mit meteorologischen Strömungsdaten ermittelt.

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