Antarktische Muscheln im Umweltstress
Temperaturanstieg gefährdet die Meeresfauna
Eiskalte Temperaturen prägen die Antarktis seit langem. Nur im Gebiet der antarktischen Halbinsel, das relativ weit im Norden liegt, hat sich die Temperatur in den letzten fünfzig Jahren um 2,5 Grad erhöht. Dort betreibt das AWI in Zusammenarbeit mit dem argentinischen Antarktis-Institut auf der Station Jubany das Dallmann-Labor. Hier findet im Sommer hauptsächlich meeresbiologische Forschung statt. In der Saison 2003/2004 waren 27 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Argentinien und Österreich dort. Dr. Doris Abele und ihre Mitarbeiterinnen untersuchen die Stresstoleranz der marinen Tierwelt unter sich ändernden antarktischen Klimabedingungen.
Abele untersuchte die Muschel Yoldia eightsi, die im antarktischen Meeresboden bei Wassertemperaturen zwischen -1,5 und +1°C vorkommt. Schon bei Temperaturen von 4°C zeigen diese Tiere Anzeichen von physiologischem Stress, der anhand zellulärer Veränderungen gemessen wurde. Setzt man diese Tiere über kurze Zeiträume noch höheren Temperaturen aus, dann ist ihr Zellstoffwechsel so nachhaltig gestört, dass sie nicht lange überleben können.
Tiere, die im Gezeitenbereich der antarktischen Halbinsel leben wie die antarktische Schnecke Nacella concinna, sind an einigen sonnigen Tagen im Jahr höheren Temperaturen ausgesetzt. Doch schon ab 4°C wird es auch ihnen zu warm, wie stressbedingte zelluläre Veränderungen zeigten. Ist die Erwärmung nur kurzzeitig, können sie ihren Stoffwechsel stabilisieren. Etwa bei 9°C sterben sie jedoch ab.
Im Wattenmeer der Nordsee lebt die Muschel Mya arenaria bei Temperaturen, die zwischen zwei Grad im Winter und zehn Grad im Sommer schwanken. Diese Muschel kann auch in 18 Grad warmem Wasser überleben, ohne physiologische Anzeichen von Hitzestress zu zeigen. "Die Tiere in den Polargebieten dagegen sind an sehr konstante Umweltverhältnisse angepasst", sagt Abele, "schon geringfügige Änderungen ihrer Umgebung führen bei ihnen zu physiologischem Stress und zu einer erhöhten Sterblichkeit."
Birgit Obermüller untersuchte in der vergangenen Saison am Dallmann-Labor die Auswirkungen einer erhöhten UV-Strahlung auf Amphipoden. Amphipoden sind Flohkrebse mit einer Länge von ein bis zwei Zentimetern, die eine lichtdurchlässige Schale besitzen. Ihr Chitinpanzer bietet nur geringen Schutz gegen die schädliche UV-Strahlung. In einem ungestörten Lebensraum würden sie diesen auch nicht benötigen, denn in den hohen Breiten der Polargebiete ist die Sonneneinstrahlung nicht sehr intensiv. Doch der UV-Anteil im Sonnenlicht hat zugenommen. Im Frühjahr bildet sich über der Antarktis das bekannte Ozonloch, das unter anderem zur Folge hat, dass weit mehr kurzwellige UV-Strahlung die Erdoberfläche erreicht. "Wir können beobachten, wie die Kleinkrebse sich bei erhöhter UV-Strahlung zurückziehen und Schutz unter größeren Algen suchen", beschreibt Obermüller. Auf erhöhte UVB-Strahlung reagierten die Amphipoden im Labor mit Stress und einer erhöhten Sterblichkeit. Eine Vergleichsgruppe wurde weißem Licht ohne UV-Anteil ausgesetzt. Diese Tiere zeigten keinerlei Schädigungen.
Das Dallmann-Labor wurde jetzt für die Zeit des antarktischen Winters geschlossen. Im kommenden Oktober werden die Arbeiten fortgesetzt.
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