Allerwelts-Pilze als Synthesekünstler
Gelbe Farbstoffe mit ungewöhnlicher Struktur aus Kartoffelbovist und Pfefferröhrling
Forscher interessieren sich für Pilzinhaltsstoffe, da sich unter ihnen immer wieder pharmakologisch aktive Substanzen finden, die den Weg zu neuen Antibiotika und Cytostatika weisen können. Ein prominentes Beispiel sind auch die Strobilurine, Pilzinhaltsstoffe, die wegen ihrer fungiziden Wirkung als umweltfreundliche Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.
Nach Extraktion der zerkleinerten Fruchtkörper von Kartoffelbovisten und einer aufwendigen Reinigungsprozedur fanden die Wissenschaftler um Wolfgang Steglich einen bisher unbekannten Farbstoff. Abgeleitet vom botanischen Namen des Pilzes, Scleroderma citrinum, tauften sie ihn Sclerocitrin. In reifen Bovisten kommt Sclerocitrin in erstaunlichen Mengen vor: Aus 1 kg frischem Fruchtkörper ließen sich bis zu 400 mg der leuchtend gelben Verbindung gewinnen. Weitere Forschungen ergaben, dass Sclerocitrin auch einer der Hauptfarbstoffe der leuchtend gelben Stielbasis und des Mycels eines anderen Allerwelts-Pilzes ist, des Pfefferröhrlings. Zusätzlich entdeckte das Team im Pfefferröhrling einen weiteren bisher unbekannten gelben Farbstoff, der mit Sclerocitrin eng verwandt ist. Entsprechend der botanischen Bezeichnung Chalciporus piperatus für den Pfefferröhrling erhielt der Stoff den Namen Chalcitrin. Diese Befunde sind ein weiteres Indiz für die vermutete enge Verwandtschaft zwischen Bovisten und Röhrlingen.
Die Struktur der beiden neuen Farbstoffe wurde mit spektroskopischen Methoden aufgeklärt. Beide sind letztlich Dimere eines weiteren gelben Pilz-Farbstoff, der Xerocomsäure. Die Forscher haben eine Hypothese entwickelt, wie eine sehr rationelle Biosynthese dieser und weiterer verwandter Farbstoffe verlaufen könnte. Demnach scheinen Pfefferröhrling und Kartoffelbovist wahre Synthese-Künstler zu sein: In wenigen Biosyntheseschritten stellen sie eine Reihe unterschiedlicher Dimere ausgehend von Xerocomsäure her, die sich ihrerseits offenbar auf je zwei Molekülen der Aminosäure Tyrosin zurückführen lässt.
Die beiden neuen Farbstoffe unterscheiden sich im zentralen Ringsystem, über das die beiden Xerocomsäure-Einheiten verknüpft sind. Nun hoffen die Münchner Chemiker, dass die neuen Substanzen auch interessante biologische Wirkungen haben.
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