Forschende Arzneimittelhersteller wollen Trend umkehren / Initiativen des Landes Nordrhein-Westfalen setzen positive Signale

Hartwig: Deutschland als Standort für Arzneimittelforschung und –entwicklung wenig attraktiv

24.04.2002

Düsseldorf (VFA). "Deutschland hat als Standort für Arzneimittelforschung und -entwicklung den Anschluss an die Weltspitze verloren. Diesen Trend gilt es umzukehren", forderte der Vorsitzende des Ausschusses Forschung und Entwicklung/Biotechnologie des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) und Leiter Pharma Forschung der Bayer AG, Prof. Dr. Wolfgang Hartwig, heute in Düsseldorf auf dem VFA-Forum "Die Wettbewerbsfähigkeit des Forschungs- und Entwicklungsstandorts Deutschland". Von den 130 Forschungsstandorten der 30 umsatzstärksten globalen pharmazeutischen Unternehmen befänden sich nur noch zehn in Deutschland.

Nach einer Analyse Deutschlands als Standort für Arzneimittelforschung und –entwicklung durch die Boston Consulting Group müssen vor allem die Kriterien der Forschungsförderung, die Infrastruktur und die Ausbildung von Fachkräften verbessert werden. Hartwig betonte, dass pharmazeutische Unternehmen zunehmend die Vernetzung und Kooperation mit herausragenden akademischen Forschungseinrichtungen suchten. Dieses Miteinander von Industrie und akademischer Forschung ermögliche den unverzichtbaren Austausch von Wissen und Mitarbeitern.

In den vergangenen Jahren sei hier einiges Positive erreicht worden. So hätten die Bio-Regio-Programme in Deutschland die Gründung von Biotech-Unternehmen angeschoben. Die BioRegio Rheinland weise inzwischen die höchste Konzentration an Biotechfirmen in Deutschland auf. Hartwig: "Wir sind hier auf dem richtigen Weg." Er sprach sich dafür aus, Fördergelder nicht nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen, sondern vermehrt leistungs- und anwendungsorientiert zu vergeben. Dies geschehe in Deutschland nur zu 30 Prozent, während es in den USA zu 90 Prozent der Fall sei. Zudem sei es wichtig, die Industrie frühzeitiger und intensiver als bisher in Entscheidungs- und Steuerungsgremien der Forschungsförderung einzubinden und von ihrer Expertise zu profitieren. Das nationale Genomforschungsnetz sei hier ein positiver Ansatz.

Weiterhin bekräftige der Vorsitzende des VFA-Forschungsausschusses: "Nur durch eine solide akademische Ausbildung kann ein ausreichender und kontinuierlicher Innovationspool in Deutschland aufgebaut werden, der im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig ist." Die Branche leide bereits jetzt unter einem spürbaren Mangel an Fachkräften. Defizite seien indes nicht erst bei der schulischen und akademischen Ausbildung in den Naturwissenschaften zu beklagen. Junge Menschen sollten auch in hohem Maße mit Computern und mit Datenverarbeitung vertraut sein.

Hartwig bedauerte, dass "trotz hervorragender klinischer Forschung und ausgezeichneter Wissenschaftler" klinische Forschung gegenüber der Grundlagenforschung immer noch nicht als gleichberechtigt angesehen werde und eine ungenügende Vernetzung zwischen Universitäten, Forschungsgesellschaften und Industrie von der Erforschung der Krankheitsgrundlagen bis hin zur klinischen Entwicklung von Arzneimitteln bestehe: "Solch eine international wettbewerbsfähige, patientenorientierte Forschung kann Unternehmen an den Standort Deutschland binden."

Darüber hinaus beklagte er infrastrukturelle und bürokratische Hemmnisse bei der Grundlagen-, präklinischen, aber auch klinischen Forschung und sprach sich für weitgehende Harmonisierung und forschungsfreundliche Ausgestaltungen aus. Politik und Forschung sollten dazu beitragen, die Akzeptanz in der Bevölkerung für neue Forschung und Technologien durch ausreichende Aufklärung und Diskussion unter allen Beteiligten zu erhöhen. Neben der Risikodiskussion müsse auch die Chancendiskussion gleichberechtigt geführt werden.

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