Rekordbeschleunigung für neutrale Teilchen

30.10.2009 - Deutschland

Die bisher größte Beschleunigung von neutralen Teilchen im Labor konnten Laserphysiker des Max-Born-Instituts für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) erzielen. Sie berichten darüber in der aktuellen Ausgabe von Nature.

MBI

Die Abbildung zeigt die Ablenkung von angeregten Heliumatomen im fokussierten Laserstrahl bei einer Laserintensität von rund 7 mal 10 hoch 15 Watt pro Quadtratzentimeter und 40 Femtosekunden Pulsdauer. Die Farben stehen für Häufigkeiten, mit denen die Atome auf den Detektor treffen. Über die horizontale Auslenkung konnten die Wissenschaftler die Beschleunigung berechnen. Ohne Ablenkung der Atome durch die ponderomotorische Kraft würde auf dem Detektor nur eine schmale Line von unten nach oben zu sehen sein. Sie entspricht dem eingestrahlten Laserfeld.

Normalerweise ist neutrale Materie kaum durch elektrische Felder beeinflussbar, weil die auftretende Kraft proportional der elektrischen Ladung ist. Diese ist bei neutralen Teilchen gleich Null, weshalb sie vorzugsweise nur durch Gravitationskräfte wie zum Beispiel die Erdanziehung beschleunigt werden. Laserphysiker haben schon seit einiger Zeit trickreiche Mechanismen erfunden, um neutrale Atome auch mit Hilfe von Licht zu manipulieren, allerdings nur, wenn Atome und Laser relativ lange miteinander wechselwirken - die Beschleunigungskräfte waren bisher vergleichsweise sanft. Dr. Ulli Eichmann und sein Team konnten jetzt neutrale Heliumatome in extrem starken elektromagnetischen Laserfeldern mit dem 10 hoch 14-fachen der Erdanziehungskraft beschleunigen. Diese Beschleunigung spielt sich in extrem kleinen Zeiträumen von wenigen Femtosekunden ab. Eine Femtosekunde ist der millionste Teil einer Milliardstel Sekunde. In dieser unvorstellbar kurzen Zeit erreichten die Teilchen eine Geschwindigkeit von etwa einhundert Stundenkilometern.

Die MBI-Physiker haben einen Strahl von neutralen Heliumatomen senkrecht mit Femtosekunden-Laserpulsen sehr hoher Intensität beschossen. Ein solches Laserfeld versetzt die Elektronen einiger Heliumatome in heftige Schwingungen. Was dann passiert, erläutert Eichmann so: "Eigentlich will das Elektron weg vom Atomrumpf, was meist auch gelingt. In einigen Fällen ist die Anziehungskraft des Atomrumpfes allerdings stärker, so dass das Elektron am Ende des Laserpulses in einem angeregten Zustand eingefangen wird." Das Atom bleibt dabei neutral. Warum wird es dann aber beschleunigt? Dazu Eichmann: Die maximale Auslenkung der Schwingung, die das Elektron erfährt, ist in einem inhomogenen Laserfeld nicht gleichmäßig, sondern wird in Richtung abnehmender Laserintensität schwächer. Dadurch wirkt auf das Elektron zusätzlich die sogenannte ponderomotorische Kraft. Da das Elektron weiter an den Atomrumpf gebunden ist, zieht es den Rumpf hinter sich her und das gesamte Atom wird somit beschleunigt.

Die angeregten Heliumatome wurden in Eichmanns Experiment durch diese Kraft im rechten Winkel zu ihrer eigentlichen Flugbahn beschleunigt. Dies erkannten die Forscher anhand der charakteristischen Bilder, die der Detektor am Ende der etwa fünfzig Zentimeter langen Flugbahn der Atome lieferte. Die Wissenschaftler konnten sehen, wie weit die angeregten Heliumatome von ihrem Weg abgewichen sind und darüber ihre Beschleunigung berechnen.

Die Physiker wollen nun untersuchen, ob sie mit Laserfeldern mit höherem Gradienten noch höhere Beschleunigungen erreichen können. Ihre Ergebnisse könnten beispielsweise für Anwendungen in der Atomoptik von Bedeutung sein, etwa wenn es darum geht, Atome in sehr kurzer Zeit an einer bestimmten Stelle zu positionieren.

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