Schadstoffärmere Flugzeugtriebwerke

Experimente in der Schwerelosigkeit geben neue Impulse

01.12.2009 - Deutschland

Alle reden über die Klimaschädlichkeit von Kohlendioxid. Die schädlichen Auswirkungen von Stickoxiden sind jedoch noch weit gefährlicher. Bei Autos und Lastwagen kann man dem Problem mit Katalysatoren zu Leibe rücken, bei Flugzeugtriebwerken nicht. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) haben sich nun dieses Problems angenommen.

Als am 22. November um 12:15 Uhr Ortszeit die europäische Forschungsrakete TEXUS-46 vom europäischen Startgelände Esrange nahe der schwedischen Stadt Kiruna abhob, hatte sie ein besonderes Experiment an Bord: In der Schwerelosigkeit der sechsminütigen ballistischen Flugphase wurde in einer speziellen Brennkammer die Verbrennung perfekter sphärischer Brennstofftropfen einer definierten Größe und eines bestimmten Abstands zueinander analysiert. Ziel der Experimente war es, die Entstehung schädlicher Abgase bei der Verbrennung flüssiger Kraftstoffe besser zu verstehen.

Im Gegensatz zu dem häufig als Klimakiller diskutierten Kohlendioxid konzentriert sich das Team um Klaus Mösl vom Lehrstuhl für Thermodynamik der TU München auf den Ausstoß der giftigen und noch umweltschädlicheren Stickoxide (NOX). Zwar überwiegt die Menge des typischerweise freigesetzten Kohlendioxids in absoluten Zahlen, jedoch sind die schädlichen Auswirkungen der Stickoxide um ein Vielfaches höher. Die giftigen NOX-Abgase entstehen insbesondere bei der Verbrennung flüssiger Kraftstoffe wie Kerosin und Diesel. Bei Autos und Lastwagen kann man den NOX-Ausstoß durch Abgasnachbehandlung mittels Katalysatoren reduzieren. Bei Flugzeugantrieben bietet einzig eine intelligente Verbrennungsführung Abhilfe. Der Treibstoff muss so verbrannt werden, dass NOX gar nicht erst entsteht. Allerdings fehlen den Ingenieuren in den Entwicklungszentren bis dato die dazu nötigen Grundlagen, um die vorhandenen Technologien entsprechend anzupassen und zu optimieren.

Zur Bestätigung von Laborversuchen und zur Klärung offener Fragen gingen die Garchinger Forscher eine Kooperation mit dem Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) in Bremen und der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA ein. Gemeinsam wurde ein bestehender Versuchsaufbau der Japaner weiterentwickelt, ergänzt und optimiert. Während sich die japanischen Wissenschaftler dafür interessierten, wie sich eine fortschreitende Flamme grundsätzlich über einer Tropfenreihe ausbreitet, sammelten die Wissenschaftler der TUM Abgasproben. Diese wurden nach Bergung der wissenschaftlichen Nutzlast Anfang der Woche in Garching detailliert analysiert. Die entscheidende Frage für die TUM-Wissenschaftler war dabei: Wie viel des anfangs flüssigen Brennstoffs muss vor der Zündung verdampft werden, um eine essentielle Reduzierung der NOX-Emissionen zu erzielen?

In den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatten amerikanische Wissenschaftler vorhergesagt, dass weniger Stickoxid entstehen würde, je mehr Brennstoff eines Tropfensprays vor dessen Zündung bereits verdampft. Ihre Annahme, dass es hier einen linearen Zusammenhang gäbe, fand Eingang in viele Publikationen und Lehrbücher. Doch diese Annahme war weitestgehend falsch, wie sich bei Mösls Versuchen herausstellte. Die Versuche zeigten, dass eine Tropfenvorverdampfung zunächst praktisch keinen Einfluss hat, ab einem bestimmten Punkt aber reduziert sich die Stickoxidmenge mit wachsendem Verdampfungsgrad sehr stark. Für die Konstrukteure von Flugzeugtriebwerken hat das eine wichtige Konsequenz: Nur wenn sie es erreichen, dass die Treibstofftröpfchen vor dem Zünden bereits zu einem großen Teil verdampft sind, können sie den Stickoxid-Ausstoß spürbar reduzieren.

Die Mitarbeiter des Lehrstuhls für Thermodynamik arbeiten nun daran, aus den entdeckten Gesetzmäßigkeiten Berechnungsmodelle und Simulationen zu entwickeln, mit denen die Konstrukteure neue, emissionsärmere Triebwerke entwickeln können. "Die chemischen und physikalischen Gesetze können wir nur unter idealen Bedingungen präzise untersuchen", erläutert Klaus Mösl. "Nur in der Schwerelosigkeit ist die Gaswolke aus verdampftem Kraftstoff ideal um den Rest des Tropfens verteilt." Bei stationären Gasturbinen kann die Stickoxid-Emission durch Vormischung und präzise Steuerung des Verbrennungsvorgangs deutlich gesenkt werden. Bis dies jedoch auch bei Flugzeugturbinen mit ihren starken Lastwechseln möglich ist, ist noch einige Forschungsarbeit zu leisten.

Das Experiment wurde durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) finanziert. Die Experimentergebnisse fließen in verschiedene internationale Projekte ein.

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