Lichtdruck beschleunigt Ionen
Die Energie der beschleunigten Teilchen konnte dabei um ein Vielfaches gesteigert werden. Damit kommen die Physiker dem Konzept eines kostengünstigen kompakten Laser-Teilchenbeschleunigers, zum Beispiel für die medizinische Tumorbestrahlung, einen großen Schritt näher.
Licht ist selbst für Physiker ein wundersamer "Stoff". Es besteht aus Photonen, den Elementarteilchen des Lichts, die keine Masse haben, aber Energie und Impuls besitzen und niemals in Ruhe sein können. Sie bewegen sich stets mit der größten im Universum möglichen Geschwindigkeit. Treffen sie irgendwo auf, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder sie geben ihre Energie ab und werden dabei vernichtet oder sie werden reflektiert und übertragen ihren Impuls in Form eines Rückstoßes. Letzteres Phänomen bezeichnet man als Lichtdruck. Er ist bei normalen Lichtintensitäten kaum beobachtbar: Ein Spiegel bewegt sich durch den Lichtdruck bekanntlich nicht. Lediglich im Weltraum erfahren Satelliten über lange Zeiten tatsächlich eine messbare Ablenkung durch das Sonnenlicht. Im Innern der Sonne sind die Verhältnisse ganz anders: Hier ist die Lichtintensität so gewaltig, dass der Lichtdruck in der Lage ist, die ungeheure Schwerkraft auszugleichen - ohne ihn würde unsere Sonne unter ihrem eigenen Gewicht einfach in sich zusammenfallen.
Moderne Laser können Lichtintensitäten erzeugen, die noch um ein Vielfaches stärker sind als im Innern der Sonne. Auf eine reflektierende Materieschicht wirkt der Rückstoß eines Laserpulses wie ein urgewaltiger Hammer, der resultierende Druck ist der größte, den man künstlich erzeugen kann. Ist die reflektierende Materieschicht nur wenige Atomlagen dick und nicht größer als der Durchmesser des fokussierten Laserstrahls, also nur wenige tausendstel Millimeter, dann erfährt sie die größtmögliche Rückstoßbewegung - fertig ist der Laserbeschleuniger. In der Tat wird dieser Mini-Spiegel während der ultrakurzen Pulsdauer des Lasers fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Mit konventionellen Verfahren bräuchte man dafür Beschleuniger von etlichen hundert Metern oder gar Kilometern Länge.
Entscheidend für die Umsetzung dieses Konzeptes sind ultradünne Diamantfolien - eine Spezialität der Münchner Kooperationspartner. Die Folien sind auch bei nur wenigen Nanometern Dicke noch ausreichend reißfest um sich selbst zu tragen. Und sie müssen unversehrt bleiben, bis das Maximum des Laserpulses sie erreicht. Sendet der Laser auch nur wenige Milliardstel seiner Intensität kurz vor dem Hauptpuls aus, was bei den meisten Lasern unvermeidlich ist, so werden sie einfach verdampft und der Hauptpuls findet keine reflektierende Oberfläche, die zu beschleunigen wäre. "Die Erzeugung höchster Laserintensitäten mit weltweit höchster Pulsqualität ist eine Spezialität des Max-Born-Instituts" sagt Sven Steinke, der am MBI im Rahmen seiner Doktorarbeit zum Thema Laserbeschleunigung forscht.
Damit waren alle Voraussetzung gegeben, das neue Beschleunigungskonzept erstmals erfolgreich im Experiment auszuprobieren. Die so erzeugten Ionenstrahlen haben eine höhere Energie als mit bisherigen Methoden und weisen eine sehr scharfe Energieverteilung auf. Außerdem wird die Laserenergie besonders effizient - etwa 40-mal effizienter als bisher - in Energie der Ionen umgesetzt.
Mit den Experimenten konnten die Forscher eine bereits bestehende Theorie untermauern, wie sich monoenergetische Ionenstrahlen erzeugen lassen. Diese theoretischen Arbeiten beschäftigen sich auch mit der Skalierbarkeit des Prozesses. So wird eine quadratische Abhängigkeit der Ionenenergie von der Laserintensität erwartet, im Vergleich zu einer linearen im "klassischen" Beschleunigungsfall. "Das bedeutet, man kann wesentlich höhere Ionenenergien bei gleicher Laserintensität erwarten" so Steinke. Dies ist wesentlich bei der Planung neuer und größerer Laseranlagen und auch für die Realisierbarkeit medizinischer Laser-Ionenquellen, da hier gewisse Mindestenergien und eine monoenergetische Energieverteilung nötig sind. Diese Parameter sind entscheidend, wenn es darum geht Ionenstrahlen beispielsweise für die Tumortherapie einzusetzen.
Originlaveröffentlichung: Phys. Rev. Lett. 103 (24), 245003(2009)