Digitalisierung im Chemiesektor trägt erste Früchte

Nachholbedarf gibt es bei IT-Sicherheit und Personal

28.02.2018 - Deutschland

Die Digitalisierung in der Chemieindustrie zahlt sich aus und schreitet voran. Erste Pilotprojekte sind fast überall angelaufen und die Branche sieht bereits konkrete finanzielle und operative Vorteile. Jedoch zeigen sich auch Schattenseiten: Viele Unternehmen sehen sich nicht ausreichend gegen Cyberangriffe geschützt; der Mangel an Fachkräften und insbesondere an Digitalexperten bereitet den Chemiefirmen zusätzliche Sorgen. Dies zeigt eine Accenture-Studie zur Digitalisierung in der Chemieindustrie, für die 360 Führungskräfte der Branche in zwölf Ländern befragt wurden.

Accenture

Eine der wichtigsten Erkenntnisse lautet: Die Digitalisierung ist in der Chemie angekommen und wird zukünftig sogar einen noch höheren Stellenwert einnehmen. So gaben vier von fünf befragten Führungskräften in Chemieunternehmen an, ihre Investitionen in die Digitalisierung der Anlagen zukünftig zu erhöhen. Dieser Optimismus ist nicht zuletzt in den positiven Erfahrungen mit bereits umgesetzten Digitalprojekten begründet: 92 Prozent aller Befragten sind mit den Ergebnissen bisher getätigter Investitionen zufrieden und sehen dadurch bereits deutliche operative Vorteile. Dazu gehören laut Einschätzung der Umfrageteilnehmer insbesondere mehr Effizienz im Betrieb der Anlagen, eine höhere Produktqualität mit geringeren Ausschussmengen in der Fertigung, die Optimierung von Abläufen in Echtzeit sowie ein höherer Durchlauf in der Produktion und kürzere Markteinführungszeiten. Für 95 Prozent der befragten Unternehmen ergab sich sogar ein nachweisbarer finanzieller Mehrwert durch den Einsatz von digitalen Technologien.  

Neben den operativen Vorteilen werden mit wachsenden Datenmengen in Zukunft verstärkt digitale Geschäftsmodelle in neuen Wertschöpfungsketten im Mittelpunkt stehen. Mit den Informationen aus vernetzten Maschinen und Produkten lassen sich zusätzliche Einnahmequellen neben dem Kerngeschäft erschließen und eine größere Unabhängigkeit von den heutigen Nachfragezyklen chemischer Produkte erreichen. 

„Der bisherige Fokus auf die Optimierung von Fertigungsprozessen durch digitale Technologien ist richtig, aber die Unternehmen sollten es nicht dabei belassen“, so Götz Erhardt, Geschäftsführer für den Bereich Resources bei Accenture in Deutschland. „In der zweiten Welle der Digitalisierung geht es auch für die Chemieindustrie darum, das eigene Geschäftsmodell zu transformieren und stärker auf datenbasierte Services zu setzen, denn das sind die Umsatzquellen von morgen.“

Big Data und Analytics sind Hoffnungsträger

Doch welche digitalen Technologien haben das größte Potenzial für die Chemieindustrie? Die Studie zeigt, dass bereits 29 Prozent der Unternehmen in ihrem Fertigungsprozess in großem Umfang Cloud-Technologien nutzen, gefolgt von Robotik (28 Prozent), Künstlicher Intelligenz (27 Prozent) und mobilen Endgeräten oder Wearables (27 Prozent). Für den zukünftigen Praxiseinsatz wird das größte Potenzial dagegen bei Big Data und Analytics gesehen. Hier gaben 43 Prozent der Chemieunternehmen an, bereits erste Piloten zu testen; jedes vierte Unternehmen wendet diese Technologie bereits an. 

Big Data und Analytics ist auch einer der drei Bereiche, in dem die Hälfte der Entscheider in der Chemiebranche den größten potenziellen Return-on-Investment (ROI) sehen. Dies spiegelt sich in der Analyse der geplanten Investitionen wieder. Hier haben Big Data, Analytics und Edge Computing ganz klar die größte Priorität; etwas mehr als jedes dritte Unternehmen (45 Prozent) will bis zu 40 Prozent seines Digitalbudgets für Investitionen in diese Technologien nutzen. An zweiter Stelle stehen Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Hier planen 38 Prozent der Chemiefirmen Investitionen im Umfang bis zu 40 Prozent des Digitalbudgets ein. An dritter Stelle stehen Cloud-Technologien - etwa jedes vierte Unternehmen (26 Prozent) will hier zwischen 21 und 40 Prozent investieren.

Digitalisierung verläuft nicht ohne Herausforderungen

Bei aller Euphorie über die Möglichkeiten der Digitalisierung sehen viele Unternehmen noch großen Nachholbedarf bei der IT-Sicherheit: In den vergangenen zwölf Monaten registrierten knapp drei von vier untersuchten Chemieunternehmen (73 Prozent) mehr als dreißig Cyberangriffe auf ihre Digitalinfrastruktur. 54 Prozent der untersuchten Chemieunternehmen gehen sogar davon aus, dass mehr als dreißig Cyberangriffe im vergangenen Jahr erfolgreich waren. Die Hälfte der befragten Firmen gab an, diese nicht umgehend erkannt und abgewehrt zu haben. Die digitale Infrastruktur von Chemiewerken ist oft gefährdet, da es häufig veraltete technologische Betriebssysteme gibt, die über die Anlagen hinweg nicht standardisiert sind. So entstehen Lücken in der Sicherheitskontrolle. Die größten Risiken für die Unternehmen sind dabei eine Gefährdung der Betriebssicherheit, wirtschaftliche Auswirkungen wie Produktionsausfälle sowie der Verlust von geistigem Eigentum. 

Der Erfolg der digitalen Transformation hängt jedoch nicht allein von den finanziellen Möglichkeiten der Unternehmen ab, sondern ist auch eng an die Fähigkeiten der Mitarbeiter geknüpft. Nach den größten Hürden befragt, sagte jeder vierte Umfrageteilnehmer, dass fehlendes Verständnis für den Nutzen von digitalen Technologien in der chemischen Produktion zu den drei größten Herausforderungen zähle. Weitere 24 Prozent waren der Meinung, dass digitale Technologien noch nicht weit genug ausgereift seien. Außerdem sahen 23 Prozent routinierte Verhaltensmuster der Mitarbeiter als eine der Top 3-Hürden auf dem Weg zur Digitalisierung. 

„Investitionen in Technologie sind ein wichtiger Faktor, um die Digitalisierung voranzubringen. Viel entscheidender ist es jedoch, die Mitarbeiter mitzunehmen und digitale Talente für die Arbeit in einer eher klassisch ausgerichteten Branche zu begeistern”, so Götz Erhardt weiter. „Hinzu kommt, dass der Umgang mit digitalen Technologien für alle Mitarbeiter – egal ob in der Produktion oder im Labor – in Zukunft essentiell sein wird. Deshalb sind organisatorisches Lernen, robuste digitale Fähigkeiten und deutlich verkürzte Markteinführung, unterstützt durch ‚digitale Akademien‘ und flexible Organisationsformen, ein wichtiger Baustein jeder Digitalstrategie.“

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