Elektronenstrahlen, die sich selbst aufspalten
Erster experimenteller Nachweis der Selbstmodulation von Teilchenpaketen
DESY, Johannes Engel
Teilchenbeschleuniger für höchste Energien wie zum Beispiel der Large Hadron Collider (LHC) am CERN sind sehr teuer, sowohl im Aufbau als auch im Betrieb. Nichtsdestotrotz gibt es in der Wissenschaft großen Bedarf an Beschleunigern mit noch höheren Energien, um das Standardmodell der Teilchenphysik weiter zu verbessern oder Physik jenseits dieses Theoriegebäudes zu finden, das zwar überaus erfolgreich ist, allerdings nur etwa fünf Prozent des Universums beschreibt. Plasmabeschleuniger könnten diesen Bedarf möglicherweise decken. Bei diesem Ansatz werden die voluminösen Beschleunigerstrukturen der aktuellen Technologie durch lediglich millimetergroße Plasmen ersetzt, die eine um Größenordnungen stärkere Beschleunigung ermöglichen.
Um Elektronen auf diese Art zu beschleunigen werden Plasmaelektronen von den Plasmamolekülen getrennt, um ein sogenanntes Plasma-Kielfeld (Wakefield) zu erzeugen, dass die immens starke Beschleunigung ermöglicht. Diese Trennung der Elektronen und Moleküle im Plasma lässt sich – neben anderen Methoden – durch einen energiereichen Teilchenstrahl erreichen. Für diesen Zweck sind Protonenstrahlen sehr attraktiv, da sie genug Energie speichern können, um die Elektronen in einem einzigen Schritt auf Energien im LHC-Regime von Tera-Elektronenvolt (TeV) zu beschleunigen. Das AWAKE-Experiment am CERN hat zum Ziel, die Machbarkeit dieses Konzepts zu demonstrieren. Allerdings sind die zur Verfügung stehenden Protonenpakete viel zu lang, um damit einen Plasmabeschleuniger zu betreiben. Die Herstellung passender, kurzer Protonenpakete ist daher ein Schlüsselproblem für das AWAKE-Experiment.
Die Beschleunigerforscher hoffen, dieses Problem mit Hilfe des Phänomens der sogenannten Selbstmodulation zu lösen. Dafür wird eine Plasmawelle an der Vorderseite des Teilchenpaketes erzeugt, und die daraus resultierenden elektrischen Felder führen zu einer erwünschten Neuorganisation der Teilchen in mehrere kürzere Pakete. Theorie und Simulation zeigen, dass diese Selbstmodulation funktionieren sollte, es gab aber bislang keinen direkten experimentellen Nachweis dafür. Hier kommen die einzigartigen Eigenschaften der PITZ-Anlage zum Tragen, erklärt Gruppenleiter Frank Stephan: „Die Kombination von flexiblem Photokathodenlaser, hoher Qualität des Elektronenstrahls und exzellenter Diagnostik hat es möglich gemacht, diesen Effekt zum ersten Mal eindeutig zu demonstrieren.“ In den Messungen wurde die Aufspaltung eines Elektronenpaketes in drei kleinere Pakete gezeigt.
„Dieser Durchbruch, der in unserer Veröffentlichung beschrieben ist, kann direkt in das Protonenregime skaliert werden und eröffnet so den Weg, um mit Hilfe der Selbstmodulation die nächste Beschleunigergeneration am CERN aufzubauen“, betont der Hauptautor der Studie, Matthias Groß. „Unsere positiven Resultate zeigen, dass die Selbstmodulation praktisch im Experiment verwendet werden kann und unerwünschte Effekte wie das sogenannte Beam Hosing, welche die Teilchenstrahlen zerstören können, unter Kontrolle gehalten werden können. Diese experimentellen Daten wurden von Plasmabeschleunigerforschern und speziell vom AWAKE-Team seit Jahren sehnlichst erwartet. Die hier präsentierten Ergebnisse sind ein weiteres Beispiel für einen experimentellen Beweis einer Voraussage aus der Plasmabeschleunigungstheorie. Darüber hinaus könnte unsere spezielle kreuzförmige Plasmazelle, mit der diese Ergebnisse erzielt wurden, auch für andere Forschergruppen auf dem Gebiet der Plasmabeschleunigung interessant sein.“
Originalveröffentlichung
"Observation of the self-modulation instability via time-resolved measurements"; M. Gross, J. Engel, J. Good, H. Huck, I. Isaev, G. Koss, M. Krasilnikov, O. Lishilin, G. Loisch, Y. Renier, T. Rublack, F. Stephan, R. Brinkmann, A. Martinez de la Ossa, J. Osterhoff, D. Malyutin, D. Richter, T. Mehrling, M. Khojoyan, C. B. Schroeder, and F. Grüner; Physical Review Letters; 2018