Kampf um Seltene Erden: Metallrecycling als Alternative?

08.05.2018 - Deutschland

(dpa) Vorsichtig gibt Sabrina Schwarz Magnetpulver in ein Glas Salzsäure. Eine Stunde reagieren die Stoffe bei 80 Grad miteinander. «Wir könnten auch ganze Magnete nehmen, dann würde der Prozess aber länger dauern», sagt die Mitarbeiterin des Projekts «Seltenerd-Magnet-Recycling» an der Technischen Universität Clausthal. Am Ende gewinnt sie ein pulvriges Seltenerd-Mischoxid, ein Gemisch in Verbindung mit Sauerstoff.

Das Forschungsvorhaben der Hochschule ist eines der wenigen Projekte, das sich mit der Wiedergewinnung von Seltenen Erden wie Neodym aus Abfällen beschäftigt. Aus einer Tonne Neodym-Eisen-Bor-Magnetschrott gewinnt Schwarz rund 330 Kilogramm Seltenerd-Mischoxide. «Die Mischoxide können anschließend beispielsweise für die Herstellung neuer Magnete verwendet werden», sagt sie. Ziel sei es, die Industrie etwas unabhängiger von Importen zu machen.

Die 17 Seltenen Erden, zu denen Neodym, Lanthan und Cer gehören, werden wegen ihrer chemischen und physikalischen Ähnlichkeit oft als Stofffamilie betrachtet - und sind sehr gefragt. Genutzt werden sie etwa für LCD-Bildschirme, Windkraftanlagen oder Magnete.

Doch seit 2011 stehen Seltene Erden auf der Liste kritischer Rohstoffe für die EU. Die Europäische Kommission spricht von einer hundertprozentigen Importquote - der Staatenverbund ist also komplett auf Quellen von außerhalb angewiesen. Rund 8350 Tonnen der Stoffe verbrauche die EU jährlich, heißt es auf Anfrage.

Die Abhängigkeit von Importen könnte laut Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover noch weiter wachsen. Studien zeigen, dass der Bedarf an Neodym und Terbium wegen des Trends zu Elektro-Autos und des Ausbau erneuerbarer Energien steigen wird - beide Branchen brauchen Seltenerd-Magnete. Bis 2018 könnte die Nachfrage gemessen am Jahr 2014 weltweit um 6,5 Prozent auf gut 142.000 Tonnen geklettert sein, kalkulieren Forscher. In Europa nehme der Bedarf um fünf bis zehn Prozent pro Jahr zu.

Droht also ein Versorgungsengpass? Nicht unmittelbar, sagt ein BGR-Sprecher. Doch Deutschland sei vor allem vom Großanbieter China abhängig. «Das gilt beispielsweise für die chemische Industrie, Automobilhersteller und Hersteller von Windkraftanlagen», heißt es. Die EU-Kommission schätzt, dass 95 Prozent des weltweiten Volumens in der Volksrepublik gewonnen werden. Damit ist China quasi Monopolist auf dem Weltmarkt. «Im Falle von Importunterbrechungen wären mehrere Branchen in der EU betroffen», erklärt die Kommission.

Dabei kommen die Stoffe auch hierzulande vor. «Wir Europäer sind von chinesischen Importen abhängig, weil in den westlichen Industriestaaten Seltene Erden aus Kosten- und Umweltgründen kaum abgebaut werden», sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Metallhändler (VDM), Ralf Schmitz.

Recycling könnte ein Weg sein, sich zumindest etwas unabhängiger von China zu machen - auch für die Umwelt. Nach Angaben des Öko-Instituts fallen beim Abbau Seltener Erden «sehr große Mengen an Rückständen an, die giftige Abfälle enthalten». Die Lagerstätten enthielten zudem radioaktive Materialien. Ganz zu schweigen von den Abgas-Emissionen, die beim Transport der jährlich rund 130.000 weltweit geförderten Tonnen Seltener Erden entstehen.

Doch trotz dieser Anreize ist das Recycling Seltener Erden in Deutschland und Europa noch eine Nische. Eine vorgeschriebene Wiederverwertungsquote gibt es nicht. «Noch gibt es in Europa kein Recycling von Seltenerdmetallen, weil die Mengen zu klein sind und Recyclinganlagen fehlen», sagt Doris Schüler, stellvertretende Bereichsleiterin Ressourcen & Mobilität beim Öko-Institut. Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission ergab, dass die Recyclingquote für Lanthan und Cer bei alten Batterien unter einem Prozent liegt.

Angesichts der derzeit niedrigen Preise ist es für Firmen lukrativer, Seltenerdmetalle neu zu kaufen. «Die Preise für Seltene Erden müssten deutlich steigen, damit sich ein Recycling lohnt», betont das BGR. Dass sich die Rohstoffrückgewinnung kaum rechne, weiß auch Schmitz vom Verband der Metallhändler: «Es ist wahnsinnig teuer, Recyclingtechnologie für Seltene Erden zu entwickeln.» Firmen scheuten die Investitionen, weil sie nicht wüssten, ob die Technologie in fünf Jahren nicht schon überholt sei.

Im Oktober läuft die Förderung für das Projekt der TU Clausthal aus. Derzeit könne nur ein Teil der Seltenen Erden wiedergewonnen werden. 100 Prozent Recyclingquote wäre wünschenswert, sagt Schwarz. «Aber vermutlich sind je nach Altprodukt und Aufbereitungsverfahren 70 bis 80 Prozent bezogen auf die Ausgangsmasse realistischer.»

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