FuE-Ausgaben der Chemie- und Pharmabranche erreichen neuen Höchststand
Digitalisierung macht Forschung schneller und effizienter
VCI
„Wir setzen aber nicht nur auf Euros, sondern auch auf Bit und Bytes: Die Digitalisierung ebnet durch das systematische Erheben großer Datenmengen neue Wege, um unsere Innovationsfähigkeit zu stärken“, sagte Wessel. Die exponentiell gestiegene Rechnerleistung beschleunigt die Forschung zu neuen Chemikalien enorm. So kann die aktuelle Hardware eine erheblich größere Variantenvielfalt für chemische Reaktionen und Produktformulierungen berechnen als noch vor fünf Jahren. „Und künstliche Intelligenz findet relevante Fundstellen bei Literatur- und Patentrecherchen schneller als der Mensch und trägt zur Konzentration auf geeignete Lösungsansätze bei“, unterstrich Wessel die Bedeutung der digitalen Entwicklung für die Forschung.
Im Branchenvergleich hat die chemisch-pharmazeutische Industrie die höchste Innovationsorientierung. 63 Prozent aller Chemie- und Pharmaunternehmen forschen. Damit rangiert die Branche deutlich über dem Durchschnitt von 28 Prozent der gesamten deutschen Industrie.
Mit rund 41.100 Mitarbeitern (2016) ist die Zahl der Beschäftigten in den Forschungslaboren der chemischen Industrie auf hohem Niveau stabil geblieben.
Über 5 Prozent ihrer Umsätze stecken die Unternehmen der Branche jährlich in ihre Forschung. Nur im Fahrzeugbau und in der Elektroindustrie ist die FuE-Intensität höher.
Druck auf Forscher und Entwickler steigt
Trotz vieler Stärken bei FuE bereitet Wessel vor allem der internationale Innovationsdruck Sorgen: „Der Wettbewerbsvorsprung des Chemie-Forschungsstandorts Deutschland schmilzt. Staaten wie die USA, China und andere asiatische Länder nehmen viel Geld für die Forschung in die Hand, gestalten die Rahmenbedingungen für Innovationen günstig und verschaffen sich so Wettbewerbsvorteile.“ Wessel forderte von der großen Koalition „einen beherzten Modernisierungskurs, da nur so Deutschland im globalen Innovationswettlauf gegen Forschungsgroßmächte wie USA, China oder Südkorea mithalten kann.“
Als ein zentrales Instrument, um die Standortqualität für Innovationen hierzulande zu verbessern, bezeichnete Wessel die steuerliche FuE-Förderung. Sie sei entscheidend, damit die gesamtwirtschaftlichen Forschungsinvestitionen auf 3,5 Prozent steigen. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland hier zurzeit nur auf Rang 7. Dabei zeigt sich, dass fast alle OECD-Staaten diese Anreize nutzen, um ihre Forschung zu fördern. Wessel verwies auf das erfolgreiche Beispiel Österreich: Dort sind die Bruttoinlandsausgaben für FuE am Volkseinkommen deutlich gestiegen. Weit über die Hälfte der industriellen FuE-Ausgaben in Österreich stammt von ausländischen Konzernen. „Investitionen, die uns in Deutschland ebenfalls gut zu Gesicht stünden“, so Wessel. Auch für den Haushalt des Nachbarlandes habe dieses Förderinstrument positive Effekte: Allein die Lohnsteuerzahlungen der zusätzlich eingestellten Forscher können die Kosten der österreichischen Forschungsförderung etwa zur Hälfte decken. Mit Blick auf die sprudelnden Steuereinnahmen in Deutschland betonte Wessel: „Unser Staat kann sich eine steuerliche Forschungsförderung leisten.“
Darüber hinaus sprach sich Wessel für eine bessere Unterstützung privater Wagniskapitalgeber für Start-ups aus. So sollten steuerliche Verlustvorträge zeitlich und in der Höhe unbeschränkt erhalten bleiben. Mit ihrer schlanken Organisationsform ermöglichen Start-ups eine hohe Geschwindigkeit im Innovationswettlauf.
Für notwendig hält Wessel auch einen Innovations-Check. Damit sollen bestehende und künftige Gesetze überprüft werden, wie sie sich auf die Innovationskraft auswirken. Das gelte vor allem bei der Regulierung neuer Technologien wie Gene-Editing. In diesem Zusammenhang bedauerte er auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs: „Es basiert nicht auf heutigen wissenschaftlichen Fakten, sondern blockiert das Potenzial von Crispr/Cas und Co.“ Damit Innovationen in Deutschland besser gedeihen können, warb Wessel für mehr Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem. Dazu sei es wichtig, faktenbasierte Erkenntnisse stärker als bisher zu berücksichtigen.