Neue Beschichtung zur Vermeidung von Biofouling an Schiffsrümpfen

Im Wettbewerb mit Seepocken – Anti-Haftoberflächen im Meer

24.08.2018 - Deutschland

Die Entwicklung von Oberflächen mit neuen, aus der Natur inspirierten Eigenschaften hat in den vergangenen Jahren eine hohe Aufmerksamkeit in Wissenschaft und Industrie erfahren. Großes Interesse besteht dabei auch an Verfahren zur Vermeidung von unerwünschter Haftung etwa von Muscheln oder Seepocken an Schiffsrümpfen oder Offshore-Anlagen, sogenanntes Biofouling. Einem Forscherteam aus dem Zoologischen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist es nun gelungen, eine Silikonbeschichtung mit einer neuen Mikrostruktur zu entwickeln, die so beschaffen ist, dass sich die Haftfläche der Seepocke zur Oberfläche um mehr als 50 Prozent verringert und sie dadurch schlechter an Schiffsrümpfen haften kann. Bereits erste Praxistests an Segelyachten zeigten, dass sich keine Seepocken und andere Makrofouler dauerhaft an der Testoberfläche halten konnten. Grundlage für den Erfolg ist das neue Verständnis der Kieler Forschenden über das Benetzungsverhalten von Klebstoffen mariner Organismen.

© Lars Heepe und Dennis

Petersen3-dimensionale Visualisierung der Oberflächen der mikrostrukturierten Silikonoberfläche (links) und der glatten Kontrolloberfläche aus dem gleichen Silikon (rechts). Die Kontrolloberfläche ist deutlich stärker mit Seepocken bewachsen.

Haftung ist ein bedeutender Effekt in der Natur. Seepocken und Muscheln nutzen komplexe Klebstoffe, um sich an natürlichen und vom Menschen hergestellten Oberflächen wie Schiffsrümpfen oder Offshore-Anlagen dauerhaft anzusiedeln. Auf lange Sicht können die Organismen diese Oberflächen schädigen und sorgen beispielsweise für einen höheren Treibstoffverbrauch durch größeren Strömungswiderstand. Konventionelle Methoden, Schiffsrümpfe gegen den unerwünschten Bewuchs zu schützen, sind häufig mit umweltschädigenden Giftstoffen verbunden. Erstautor der Studie Dennis Petersen und seine Kollegen Dr. Thomas Kleinteich, Professor Stanislav Gorb und Dr. Lars Heepe aus der Arbeitsgruppe Funktionelle Morphologie und Biomechanik am Zoologischen Institut der Kieler Universität suchten daher nach neuen Möglichkeiten, den permanenten Bewuchs durch Makrofouler einzudämmen, ohne dass Giftstoffe ins Meer eingetragen werden.

Für die Entwicklung der neuen Oberfläche analysierten die Forschenden zunächst die Benetzungsfähigkeit des Seepockenklebstoffes – die Fähigkeit der Organismen, sich an Oberflächen unter Wasser flächig anzuhaften und dazu ihren „Kleber“ möglichst breit auszubringen. Den Forschenden ist es dabei gelungen, den gesamten physikalischen Prozess der Benetzung bei der Seepocke nachzuvollziehen und somit Strategien zu entwickeln, wie diesem durch eine geeignete Oberflächenstruktur entgegengewirkt werden kann.

„Unsere Forschung zeigt, dass Klebstoffe von Organismen, die unter Wasser siedeln, Haftung auf fast jedem Untergrund ermöglichen. Ursache dafür ist die komplexe chemische Zusammensetzung dieser Klebstoffe. Ziel unserer Untersuchungen war es deshalb, eine möglichst universelle Oberfläche zu entwickeln, die basierend auf physikalischen Prinzipien ein dauerhaftes Haften der Organismen verhindert“, sagt Erstautor Dennis Petersen vom Institut für Zoologie an der Uni Kiel.

Auf Basis der neuen Erkenntnisse ist es den Forschenden gelungen, eine Beschichtung aus einem ungiftigen Silikon zu entwickeln, die eine neue pilzkopfähnliche Mikrostruktur aufweist. Ähnlich wie der Lotus-Effekt, der das Abperlen von Flüssigkeit auf glatten Oberflächen bewirkt, verhindert die Geometrie dieser neuen Struktur eine starke Klebeverbindung zwischen Seepocken oder Muscheln mit der neuen Beschichtung. In einem ersten Praxistext wurden Teile des Rumpfes an vier Segeljachten des Kieler Yachtclubs mit der neuen Folie ausgestattet und eine Saison lang getestet. Nach dem Aufslippen waren keine Seepocken oder andere Makrofouler wie Muscheln auf der neuen Beschichtung zu finden. Das Material weist darüber hinaus noch weitere positive Eigenschaften auf. Während auf hartem Material wie Metall oder auch Plexiglas Seepocken bei der Beseitigung stumpf abbrechen und ihre Haftscheibe hinterlassen, lösten sich diese auf dem weichen Material ohne Rückstände ab.

„Mit unserer Entwicklung konnten wir einen großen Schritt in der Weiterentwicklung von neuen Materialien gehen, die entscheidend dazu beitragen können, Biofouling einzudämmen“, sagt Dr. Lars Heepe, Co-Autor der Studie und Mitglied im Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“.

„Neben der technologischen Relevanz, liefert unsere Arbeit darüber hinaus einen grundlegenden Beitrag zur Biomechanik des Haftens mariner Organismen. Unterwasserhaftung wirft dabei noch viele Rätsel auf. Nur durch den Vergleich des Bewuchses auf verschiedenen Oberflächen lernen wir, den Prozess des Haftens mariner Organismen zu verstehen. Mit diesem Verständnis ließen sich in Zukunft bestimmt noch weitere innovative Strategien für eine giftstofffreie Reduzierung von Bewuchs entwickeln“, sagt Professor Stanislav Gorb, Co-Autor der Studie und Mitglied im Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“.  

Originalveröffentlichung

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