Seilspringen in der Keksdose: Verblüffendes Phänomen in Flüssigmetallen entdeckt

28.11.2018 - Deutschland

Wer eine Flüssigkeit erwärmt, löst unweigerlich Turbulenzen aus: Heißes Fluid steigt auf und durchmischt sich mit dem kälteren Rest. In gewissen Fällen können sich dabei mehrere Wirbel zu einer größeren Struktur – einer großskaligen Zirkulation – zusammenschließen. Mit Kollegen der University of California in Los Angeles (UCLA) hat Dr. Tobias Vogt vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) nun etwas Überraschendes festgestellt: In ihrem Experiment bewegte sich diese Struktur ganz ähnlich wie ein Springseil. Das Ergebnis könnte helfen, bestimmte Phänomene auf der Sonnenoberfläche besser zu verstehen.

HZDR / T. Vogt

Bei Experimenten mit flüssigem Gallium konnten Forscher aus Dresden und Kalifornien zeigen, dass die sogenannte großskalige Zirkulation einen Wirbel formt, der sich wie ein Springseil bewegt.

Besonders deutlich zeigt es sich bei einer Lavalampe: Sobald sich die Flüssigkeit in ihr erwärmt, steigen dicke Blasen auf und wirbeln munter durcheinander. Fachleute bezeichnen dieses temperaturgetriebene Phänomen als Konvektion. Unter bestimmten Voraussetzungen können sich thermische Turbulenzen sogar zusammenschließen und eine übergeordnete, ausgedehnte Struktur bilden – die großskalige Zirkulation.

Ein Beispiel dafür findet sich am Wolkenhimmel. Weht der Wind aus einer bestimmten Richtung, können sich mehrere Kumuluswolken über Dutzende Kilometer aufreihen – es entsteht eine Wolkenstraße. Auch auf der Sonne lässt sich das Phänomen beobachten: Schaut man sich ihre Oberfläche durch ein Spezialteleskop an, erscheint sie als Ansammlung vieler Körnchen. Diese „Granulation“ kommt durch Konvektion zustande: Von unten steigt heißes, hell erscheinendes Material an die Oberfläche, kühlt dort ab und sinkt am Rand eines Körnchens als dunkles Material wieder hinab. Diese Körnchen sind bis zu 1.000 Kilometer groß und existieren nur wenige Minuten.

„Bislang ging die Fachwelt davon aus, dass es sich bei diesen großskaligen Zirkulationen mehr oder weniger um zweidimensionale Strukturen handelt“, erklärt Tobias Vogt vom HZDR-Institut für Fluiddynamik. „Unser Experiment stellt diese Vorstellung nun jedoch in Frage.“ Ausgangspunkt war ein mit dem Helmholtz-Doktorandenpreis verbundenes Reisestipendium, das Vogt 2016 gewonnen hatte. Es führte ihn für drei Monate an die UCLA. Mit den dortigen Experten des Department of Earth, Planetary and Space Science konzipierte er einen Versuchsaufbau, mit dem er die großskalige Zirkulation im Detail untersuchen konnte.

Kern des Experiments war ein zylindrischer Behälter von der Größe einer Keksdose, gefüllt mit flüssigem Gallium – ein Metall, das bereits bei knapp 30 Grad Celsius schmilzt. „Es leitet sehr gut Wärme und ist dreimal dünnflüssiger als Wasser“, erläutert Tobias Vogt. „Konvektionsphänomene können dadurch sehr deutlich in Erscheinung treten.“ Während sich der Boden des Behälters bis auf 70 Grad Celsius heizen ließ, konnte der Deckel auf rund 30 Grad Celsius gekühlt werden. Durch diesen Temperaturunterschied geriet das Flüssigmetall in Wallung: Heißeres Fluid stieg auf, überall in der Dose bildeten sich Turbulenzen.

Turbulenzen wie Luftschlangen

Um das Geschehen zu beobachten, musste das Team eine spezielle Ultraschalltechnik verwenden: „Da Gallium nicht durchsichtig ist, kamen Laserverfahren nicht infrage“, beschreibt Vogt. „Stattdessen setzten wir ein Verfahren ein, wie es im Prinzip auch Mediziner nutzen, wenn sie Blutströme in Gefäßen sichtbar machen wollen.“ Konkret schickten die Forscher kurze Ultraschallpulse in den Behälter. Abhängig von der Strömungsgeschwindigkeit wurden die Pulse unterschiedlich reflektiert, was sich mit Sensoren messen ließ. Das Resultat waren dreidimensionale Strömungsprofile des turbulenten Flüssigmetalls, ergänzt durch numerische Simulationen auf einem Supercomputer.

In sämtlichen Profilen ließen sich die großskaligen Zirkulationen deutlich erkennen – sie erinnern an eine Luftschlange, die die gesamte Dose ausfüllt. „Zu unserer Überraschung stellten wir fest, dass sich diese Struktur ähnlich wie ein Springseil bewegt“, erklärt Vogt. „Sie kreist beständig vor sich hin – sowohl die Bewegung als auch die Struktur der großskaligen Zirkulation sind ganz klar dreidimensional.“ Das weckt Zweifel an den gängigen theoretischen Beschreibungen. Sie hatten das Phänomen als quasi zweidimensionales Problem behandelt und müssen nun überdacht werden.

Um schließlich zu prüfen, ob sich die Springseil-Strukturen auch bei anderen Flüssigkeiten bilden, initiierten die Wissenschaftler eine Reihe von Computersimulationen. Das Ergebnis: „Auch bei Wasser tritt dieser Effekt auf“, erklärt Tobias Vogt. „Doch da Wasser zähflüssiger als flüssiges Gallium ist und Wärme schlechter leitet, ist das Phänomen deutlich schwächer ausgeprägt.“

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