Neuer Effekt bei der Wechselwirkung von Plasmen mit Festkörpern entdeckt

17.01.2019 - Deutschland

Plasmen – ein heißes Gas aus sich chaotisch bewegenden Elektronen, Ionen, Atomen und Molekülen – finden sich in Inneren von Sternen, werden aber auch in speziellen Anlagen im Labor künstlich erzeugt. Kommt ein Plasma in Kontakt mit einem Festkörper, wie etwa der Wand der Laboranlagen, kann sich dieser unter bestimmten Bedingungen grundlegend und dauerhaft verändern. So können sich Atome und Moleküle aus dem Plasma auf dem Festkörpermaterial ablagern oder energiereiche Plasma-Ionen können Atome aus dem Festkörper herausschlagen und seine Oberfläche auf diese Weise deformieren oder sogar zerstören. Ein Team des Instituts für Theoretische Physik und Astrophysik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat nun einen überraschenden neuen Effekt entdeckt, bei dem sich die elektronischen Eigenschaften des Festkörpermaterials, wie etwa die elektrische Leitfähigkeit, kontrolliert, extrem schnell und umkehrbar ändern lassen.

Seit mehr als fünfzig Jahren erforschen Wissenschaftler aus der Physik und der Materialwissenschaft die Prozesse an der Grenzfläche zwischen Plasmen und Festkörpern. Die Prozesse im Festkörper wurden dabei bislang allerdings stark vereinfacht beschrieben. Genaue Vorhersagen sind so nicht möglich und Erkenntnisse zu technischen Anwendungen basieren häufig auf dem „Trial-and-Error-Prinzip.

Auch Kieler Wissenschaftler erforschen seit vielen Jahren Plasma-Festkörper-Grenzflächen und entwickeln hierfür neue Messverfahren, Modellierungen und Anwendungen. In ihrer kürzlich veröffentlichten Studie untersuchte das Forschungsteam um Professor Michael Bonitz zeitaufgelöst, also gewissermaßen „live“, wie Festkörper reagieren, wenn sie mit energetischen Plasma-Ionen beschossen werden. Um diese ultraschnellen Prozesse zu beschreiben, die in nur wenigen Femtosekunden ablaufen verwendete das Team zum ersten Mal präzise quantenmechanische Simulationsmethoden.

„Dabei zeigte sich, dass die Ionen die gitterartig angeordneten Elektronen des Festkörpers stark anregen können. So besetzen zwei Elektronen einen Gitterplatz doppelt und bilden damit ein Elektronenpaar, ein sogenanntes Doublon“, erklärt Bonitz. Dieser Effekt tritt bei bestimmten Nanostrukturen auf, zum Beispiel in sogenannten Graphen-Nanobändern. Hierbei handelt es sich um Streifen aus einer einzelnen Lage von Kohlenstoffatomen, die durch ihre einzigartigen Merkmale ihre Leichtigkeit, Flexibilität und Leitfähigkeit für zukünftige Anwendungen in der Mikroelektronik interessant sein könnten. Durch die kontrollierte Erzeugung solcher Doublonen könnten sich Eigenschaften von Nanobänder gezielt ändern lassen.

„Außerdem konnten wir vorhersagen, dass dieser Effekt auch in ultrakalten Gasen in optischen Gittern beobachtet werden kann“, so Bonitz. Damit sind die Ergebnisse der Kieler Wissenschaftler auch über die Grenzen ihres Faches hinaus von Bedeutung. Jetzt suchen die Physiker nach optimalen Bedingungen, mit denen der Effekt auch in Plasmen, die im Labor erzeugt wurden, realisiert werden kann.

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