Chemische Spürnase mit „Turbolader“
Technologietransfer mit großem Marktpotenzial
© Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
Der Physikochemiker Privatdozent Dr. Peter Boeker entwickelte mit einem Team am Institut für Landtechnik zunächst „chemische Nasen“, die Ammoniak in Ställen oder den Geruch von Ebern exakt erschnüffeln konnten. Für diese Zwecke verfeinerte er die Gaschromatographie weiter. Einige seiner Projekte hatten zum Ziel, mit Hilfe dieser Analysegeräte an Flughäfen Fracht auf Sprengstoffe zu überprüfen, um in Zeiten des Terrors mögliche Sicherheitslücken zu schließen. Boeker gewann unter anderem den Businessplan-Wettbewerb „Netzwerk und Know-how“. „Während dieser Projekte bemerkten wir, dass die konventionelle Gaschromatographie zu lange braucht, um im schnellen Frachtbetrieb rechtzeitig Ergebnisse zu liefern“, berichtet Boeker.
Mit seinem Kollegen Dr. Jan Leppert, dem Konstrukteur Wilfried Berchtold und dem Doktoranden Peter J. Müller sann der Physikochemiker darüber nach, wie sich die herkömmliche Gaschromatographie beschleunigen und verbessern ließe. Die Gaschromatographie trennt Mischungen von Stoffen auf, die verdampfen, wenn sie auf bis zu 350 Grad erhitzt werden. Mit einem neutralen Trägergas werden die Substanzgemische durch eine lange und dünne Kapillare geleitet. Eine Innenbeschichtung hält die wandernden Stoffe unterschiedlich stark fest, wodurch die einzelnen Komponenten des Gemisches mit unterschiedlicher Verzögerung am Ende der Kapillare wieder herauskommen und dort von Sensoren bestimmt und ihre Menge gemessen werden kann.
Eine Heizschleife als „Turbolader“
Boeker und seine Kollegen haben nun als eine Art Turbolader eine Heizschleife um die Kapillare des Gaschromatographen gelegt. „Dadurch entsteht ein Temperaturgradient“, erklärt der Wissenschaftler. „Je weiter die Stoffe wandern, desto kälter wird die Kapillare.“ Das führt dazu, dass sich die Stoffe deutlich schneller fortbewegen und sich die Trennung der einzelnen Komponenten verbessert. „Die Ergebnisse liegen nun 20 Mal schneller vor als bei herkömmlichen Geräten, und die einzelnen Substanzen der Gemische lassen sich besser voneinander unterscheiden“, sagt der Wissenschaftler der Universität Bonn. Nach Abschluss des Patentverfahrens wurde die neue Gaschromatographie publiziert und zum „Paper of the Year 2015“ der Analytischen Chemie ernannt. Die Zeitschrift „The Analytical Scientist“ würdigte vor einigen Monaten das Verfahren als „die größte Innovation in der Gaschromatographie“ in den vergangenen 25 Jahren.
Das Entwicklerteam ist davon überzeugt, dass sich mit solch schnellen Flussfeld-Temperaturgradienten-Gaschromatographen zum Beispiel Treibstoffdämpfe in einem Flugzeughangar überwachen oder Sprengstoff in Containern erschnüffeln lassen. „Natürlich profitieren besonders auch die chemischen Untersuchungslabore davon, die zum Beispiel medizinische oder Umweltproben untersuchen“, sagt Boeker. Die Kunden bekommen ihre Analyseergebnisse viel schneller als das bislang möglich war.
Technologietransfer mit großem Marktpotenzial
Die Vorarbeiten zur neuen Technologie fanden bereits ab dem Jahr 2013 an der Universität Bonn statt. Rüdiger Wolf vom Technologietransfer der Alma mater unterstützte das Vorhaben nach Kräften: „Gaschromatographie ist in der chemischen Analytik sehr weit verbreitet“, sagt er. „Jede Form der Beschleunigung und Verbesserung hat daher ein großes Marktpotenzial.“ Das aktuelle Gerät wurde seit dem Jahr 2015 mit einem Technologieentwickler vorangetrieben. In Luxemburg gründeten die Wissenschaftler mit externer Hilfe die Firma „HyperChrom SA“, an der Boeker die meisten Anteile hat.
Das Bundesforschungsministerium (BMBF) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderten diverse Projekte, die schließlich in die Entwicklung des besonders schnellen Analysegerätes mündeten. Boeker hat jedoch auch in größerem Umfang private Finanzmittel eingesetzt. „Der Weg von einer universitären Machbarkeitsstudie zu einem markttauglichen System ist sehr weit, sehr teuer und nur mit sehr viel eigenem Engagement zu schaffen“, berichtet der Wissenschaftler.
Das Gerät wird derzeit an ausgewählte Erstkunden geliefert, um zur Endentwicklung vor allem die Anforderungen der Praxis einfließen zu lassen. „Wir bezeichnen uns manchmal selbstironisch als die Werkzeugmacher für andere Wissenschaftler, die mit unseren Instrumenten ihre Grundlagenforschung vorantreiben“, schmunzelt Boeker.
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