Chemische Spürnase mit „Turbolader“

Technologietransfer mit großem Marktpotenzial

21.02.2019 - Deutschland

Aus welchen Substanzen besteht ein Parfüm? Wie viel Hormone sind in einer Fleischprobe? Enthält ein fragwürdiges Gepäckstück Sprengstoff? Solche Fragen lassen sich mit Gaschromatographie beantworten: Diese Geräte trennen Stoffgemische auf und bestimmen die Menge der einzelnen Bestandteile. Wissenschaftler der Universität Bonn haben diese „Universalwaffe“ der chemischen Analytik entscheidend beschleunigt und verbessert: Die Ergebnisse liegen nun 20 Mal schneller vor. Die Ausgründer der Universität Bonn sind an einer Firma beteiligt, die zurzeit die ersten dieser neuesten Geräte ausliefert.

© Foto: Volker Lannert/Uni Bonn

Der Konstrukteur Wilfried Berchtold mit dem Helix-Turm, der Trägerstruktur der Heizspirale für den neuartigen Gaschromatographen.

Der Physikochemiker Privatdozent Dr. Peter Boeker entwickelte mit einem Team am Institut für Landtechnik zunächst „chemische Nasen“, die Ammoniak in Ställen oder den Geruch von Ebern exakt erschnüffeln konnten. Für diese Zwecke verfeinerte er die Gaschromatographie weiter. Einige seiner Projekte hatten zum Ziel, mit Hilfe dieser Analysegeräte an Flughäfen Fracht auf Sprengstoffe zu überprüfen, um in Zeiten des Terrors mögliche Sicherheitslücken zu schließen. Boeker gewann unter anderem den Businessplan-Wettbewerb „Netzwerk und Know-how“. „Während dieser Projekte bemerkten wir, dass die konventionelle Gaschromatographie zu lange braucht, um im schnellen Frachtbetrieb rechtzeitig Ergebnisse zu liefern“, berichtet Boeker.

Mit seinem Kollegen Dr. Jan Leppert, dem Konstrukteur Wilfried Berchtold und dem Doktoranden Peter J. Müller sann der Physikochemiker darüber nach, wie sich die herkömmliche Gaschromatographie beschleunigen und verbessern ließe. Die Gaschromatographie trennt Mischungen von Stoffen auf, die verdampfen, wenn sie auf bis zu 350 Grad erhitzt werden. Mit einem neutralen Trägergas werden die Substanzgemische durch eine lange und dünne Kapillare geleitet. Eine Innenbeschichtung hält die wandernden Stoffe unterschiedlich stark fest, wodurch die einzelnen Komponenten des Gemisches mit unterschiedlicher Verzögerung am Ende der Kapillare wieder herauskommen und dort von Sensoren bestimmt und ihre Menge gemessen werden kann.

Eine Heizschleife als „Turbolader“

Boeker und seine Kollegen haben nun als eine Art Turbolader eine Heizschleife um die Kapillare des Gaschromatographen gelegt. „Dadurch entsteht ein Temperaturgradient“, erklärt der Wissenschaftler. „Je weiter die Stoffe wandern, desto kälter wird die Kapillare.“ Das führt dazu, dass sich die Stoffe deutlich schneller fortbewegen und sich die Trennung der einzelnen Komponenten verbessert. „Die Ergebnisse liegen nun 20 Mal schneller vor als bei herkömmlichen Geräten, und die einzelnen Substanzen der Gemische lassen sich besser voneinander unterscheiden“, sagt der Wissenschaftler der Universität Bonn. Nach Abschluss des Patentverfahrens wurde die neue Gaschromatographie publiziert und zum „Paper of the Year 2015“ der Analytischen Chemie ernannt. Die Zeitschrift „The Analytical Scientist“ würdigte vor einigen Monaten das Verfahren als „die größte Innovation in der Gaschromatographie“ in den vergangenen 25 Jahren.

Das Entwicklerteam ist davon überzeugt, dass sich mit solch schnellen Flussfeld-Temperaturgradienten-Gaschromatographen zum Beispiel Treibstoffdämpfe in einem Flugzeughangar überwachen oder Sprengstoff in Containern erschnüffeln lassen. „Natürlich profitieren besonders auch die chemischen Untersuchungslabore davon, die zum Beispiel medizinische oder Umweltproben untersuchen“, sagt Boeker. Die Kunden bekommen ihre Analyseergebnisse viel schneller als das bislang möglich war.

Technologietransfer mit großem Marktpotenzial

Die Vorarbeiten zur neuen Technologie fanden bereits ab dem Jahr 2013 an der Universität Bonn statt. Rüdiger Wolf vom Technologietransfer der Alma mater unterstützte das Vorhaben nach Kräften: „Gaschromatographie ist in der chemischen Analytik sehr weit verbreitet“, sagt er. „Jede Form der Beschleunigung und Verbesserung hat daher ein großes Marktpotenzial.“ Das aktuelle Gerät wurde seit dem Jahr 2015 mit einem Technologieentwickler vorangetrieben. In Luxemburg gründeten die Wissenschaftler mit externer Hilfe die Firma „HyperChrom SA“, an der Boeker die meisten Anteile hat.

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) förderten diverse Projekte, die schließlich in die Entwicklung des besonders schnellen Analysegerätes mündeten. Boeker hat jedoch auch in größerem Umfang private Finanzmittel eingesetzt. „Der Weg von einer universitären Machbarkeitsstudie zu einem markttauglichen System ist sehr weit, sehr teuer und nur mit sehr viel eigenem Engagement zu schaffen“, berichtet der Wissenschaftler.

Das Gerät wird derzeit an ausgewählte Erstkunden geliefert, um zur Endentwicklung vor allem die Anforderungen der Praxis einfließen zu lassen. „Wir bezeichnen uns manchmal selbstironisch als die Werkzeugmacher für andere Wissenschaftler, die mit unseren Instrumenten ihre Grundlagenforschung vorantreiben“, schmunzelt Boeker.

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Diese Produkte könnten Sie interessieren

Brevis™ GC-2050

Brevis™ GC-2050 von Shimadzu

Der neue GC: klein, aber leistungsstark!

Der neue Brevis GC-2050 benötigt wenig Platz – ohne Abstriche an der analytischen Performance

GC-Systeme
GC 2400

GC 2400 von PerkinElmer

GC 2400 Plattform mit abnehmbarem Touchscreen

The Smart behind Separations

Gaschromatographen
Loading...

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

Alle FT-IR-Spektrometer Hersteller

Da tut sich was in der Chemie-Branche …

So sieht echter Pioniergeist aus: Jede Menge innovative Start-ups bringen frische Ideen, Herzblut und Unternehmergeist auf, um die Welt von morgen zum Positiven zu verändern. Tauchen Sie ein in die Welt dieser Jungunternehmen und nutzen Sie die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit den Gründern.

Verwandte Inhalte finden Sie in den Themenwelten

Themenwelt Gaschromatographie

Die Gaschromatographie ist eine essentielle Methode in der analytischen Chemie zur Trennung und Analyse von flüchtigen Verbindungen. Durch ihre hohe Auflösung und Empfindlichkeit hat sie sich in Bereichen wie der Umweltanalytik, der Lebensmittelchemie oder der forensischen Wissenschaft fest etabliert. Die GC liefert präzise und zuverlässige Ergebnisse und ermöglicht tiefe Einblicke in die chemische Zusammensetzung von Proben.

20+ Produkte
5 White Paper
15+ Broschüren
Themenwelt anzeigen
Themenwelt Gaschromatographie

Themenwelt Gaschromatographie

Die Gaschromatographie ist eine essentielle Methode in der analytischen Chemie zur Trennung und Analyse von flüchtigen Verbindungen. Durch ihre hohe Auflösung und Empfindlichkeit hat sie sich in Bereichen wie der Umweltanalytik, der Lebensmittelchemie oder der forensischen Wissenschaft fest etabliert. Die GC liefert präzise und zuverlässige Ergebnisse und ermöglicht tiefe Einblicke in die chemische Zusammensetzung von Proben.

20+ Produkte
5 White Paper
15+ Broschüren