Klimafreundlich mobil - aber wie?
Werden Diesel und Benzin teurer? Gibt es bald nur noch E-Autos zu kaufen? Oder tanken wir alle Biosprit?
(dpa) Eine Arbeitsgruppe tagt hinter verschlossener Tür, und was sie bespricht betrifft praktisch jeden. Den Großstädter, der zur Uni oder Arbeit radelt. Die Eltern auf dem Land, die ihre Kinder zur Schule, zum Musikstunde oder zum Fußball kutschieren. Die Seniorin, die auf Bus und Bahn setzt. Die Hunderttausenden, die ihr Geld in der Autobranche verdienen. Und die Millionen, die sich über Lärm und Staus, Parkplatzsuche, gestrichene Buslinien und Zugausfälle ärgern.
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Im Verkehrsbereich gibt es viele Baustellen, der Klimaschutz ist eine der größten. An diesem Montag sollen gut 20 Mitglieder einer Arbeitsgruppe sich eigentlich auf Vorschläge einigen, wie der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) möglichst schnell und deutlich gedrosselt werden kann - und die Menschen mobil bleiben. Ob das klappt, ist offen. Ende der Woche soll dann die Kommission «Nationale Plattform Zukunft der Mobilität», zu der die AG gehört, einen Zwischenbericht vorlegen. Der könnte dann zur Basis werden für Beschlüsse der Bundesregierung. Doch noch gibt es sehr viele offene Fragen.
Wie läuft es beim Klimaschutz im Verkehr?
Schlecht. Der gesamte Sektor stößt ungefähr so viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) aus wie 1990, die Tendenz war zuletzt sogar steigend. Das heißt, es hat sich 30 Jahre lang nichts getan - nun sollen die Emissionen innerhalb von zehn Jahren um 40 bis 42 Prozent sinken, nämlich bis 2030. Auf dieses Ziel hatten sich Union und SPD im Klimaschutzplan 2016 geeinigt, die jetzige große Koalition bekennt sich dazu in ihrem Koalitionsvertrag. Zwar verbrauchen die einzelnen Autos weniger Benzin und Diesel, dafür gibt es aber mehr. Außerdem geht der Trend zum SUV, dem großen und schweren «Stadtgeländewagen», der vergleichsweise viel Sprit frisst.
Warum hat sich nichts getan?
Das hat mehrere Gründe. Umweltschützer kritisieren, die Bundesregierung hätte in Brüssel immer wieder strengere EU-Vorgaben für den CO2-Ausstoß von Autos und Lkw verhindert. Aus ihrer Sicht müsste schon lange einerseits mehr Geld in öffentlichen Nahverkehr, die Bahn und in Radwege gesteckt werden, andererseits weniger in den Ausbau der Straßen. Fest steht, dass die Autolobby in Deutschland großen Einfluss hat. Die Branche ist einer der wichtigsten Arbeitgeber, mehr als 800.000 Menschen arbeiten in der Autoindustrie.
Kann das CO2 nicht anderswo eingespart werden?
Bisher kamen die Einsparungen tatsächlich aus anderen Bereichen, etwa der Energiewirtschaft. Aber so geht es nicht weiter. Erstens kommt Deutschland insgesamt zu langsam voran beim Klimaschutz, weil nicht alle Bereiche liefern. Zweitens gelten innerhalb der EU verbindliche CO2-Spar-Ziele für Verkehr, Gebäude, Teile der Industrie und Landwirtschaft - nämlich die Bereiche, die nicht zum Emissionshandel der EU gehören. Drittens soll Deutschland bis 2050 weitgehend treibhausgasneutral sein, das schließt den Verkehr ein.
Welche Vorschläge liegen auf dem Tisch?
Über 60 Maßnahmen hat die Arbeitsgruppe diskutiert. Schlagzeilen machte das Tempolimit auf Autobahnen. Auch ein Bonus-Malus-System wäre denkbar: Wer ein klimafreundliches Auto kauft, wird gefördert, wer einen Spritfresser will, zahlt drauf. Benzin und Diesel könnten gleich besteuert oder der CO2-Ausstoß mit einem festen Preis versehen werden. Weniger kontrovers ist, Autofahrern digital bei der Parkplatzsuche zu helfen und sie um Staus herum zu lotsen. Förderung von Elektroautos, aber auch von Kraftstoffen aus Biomasse und aus Strom stehen ebenfalls auf der Agenda, und natürlich der Ausbau und die Förderung von Bahn, Bus, Schifffahrt sowie Rad- und Fußverkehr.
Und was davon wird kommen?
Noch ist unklar, was genau die AG empfehlen wird - und ob es überhaupt einen Zwischenbericht gibt, auf den alle sich einigen können. Andererseits ist offen, wie die Politik damit umgeht. Der Bayerische Rundfunk zitierte Verkehrsminister Scheuer am Wochenende so: «Ich komme nicht über die Ecke Verbote, Einschränkungen und Verteuerungen. Ich komme über die Ecke Anreize, Begeisterung, neugierig machen, Förderung, Innovation.» Der Verkehrsminister hat mehrfach gesagt, dass es bis 2030 bis zu zehn Millionen Elektro-Pkw brauche, 500.000 Elektro-Nutzfahrzeuge und 300.000 Ladepunkte.
Was sind die Hürden?
Die sind so zahlreich wie die diskutierten Maßnahmen. Werden Autofahrer zu stark und sozial ungerecht belastet, drohen Proteste. Endet die Ära des Verbrennungsmotors, stehen viele Zulieferer vor dem Aus. Raps, Ölpalmen oder Soja im großen Stil für Biosprit anzubauen widerspricht Naturschutz- und Nachhaltigkeitszielen, sowohl in Deutschland als auch weltweit. E-Autos müssen mit Ökostrom fahren, um wirklich klimafreundlich zu sein, aber der Ausbau geht nicht schnell genug und es fehlen Leitungen und Ladestationen. Batterien brauche wertvolle Rohstoffe. Die Liste ließe sich fortsetzen.
Was kostet das Umsteuern im Verkehr die Steuerzahler?
Schwer zu sagen, denn es hängt vom gewählten Weg ab. Der Bundesverband der Deutschen Industrie hält zusätzliche Investitionen von 250 Milliarden Euro für «unausweichlich», wenn es mit dem 2030-Ziel klappen soll. Dem Staat entgehen Steuern, wenn die Bürger weniger Benzin und Diesel tanken, ein CO2-Preis würde dagegen Einnahmen bringen. Förderprogramme kosten Geld. Andererseits ist Klimaschutz bereits ein Innovationstreiber. Und die Folgekosten eines ungebremsten Klimawandels - je nach Region mehr Dürren, Stürme, Hochwasser oder Starkregen - sind kaum abzusehen.
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