Finanzierung europäischer Start-ups auf Rekordniveau
Paris zieht an Berlin vorbei
Walkerssk, pixabay.com, CC0
Trotz des bevorstehenden Brexits konnte Großbritannien seine Spitzenposition innerhalb der europäischen Start-up-Szene behaupten und sogar ausbauen: An britische Start-ups flossen insgesamt 6,7 Milliarden Euro, mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum (plus 112 Prozent). Französische Start-ups erhielten 2,8 Milliarden Euro, 43 Prozent mehr als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. Deutschland belegt beim Investitionsvolumen den dritten Rang – hier stiegen die Start-up-Investitionen um sieben Prozent auf 2,7 Milliarden Euro.
Im europäischen Städteranking liegt London mit 5,7 Milliarden Euro klar auf dem ersten Platz. Mit großem Abstand folgen die Verfolger Paris (2,2 Milliarden Euro) und Berlin (2,0 Milliarden Euro). Auch bei der Zahl der Transaktionen zieht die französische Hauptstadt an Berlin vorbei: Insgesamt 230 Start-up-Investitionen wurden im Großraum Paris in der ersten Jahreshälfte gezählt, in Berlin waren es nur 129. London liegt mit 323 Finanzierungen auch hier weiterhin vorne. Auf den Rängen vier und fünf im Ranking nach Investitionssumme liegen Stockholm und Reykjavik mit 1,2 Milliarden bzw. 289 Millionen Euro.
Das sind Ergebnisse des Start-up-Barometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Die Studie basiert auf einer Analyse der Investitionen in europäische Start-ups. Als Start-ups werden dabei Unternehmen gewertet, die nicht älter als zehn Jahre sind.
„Der Finanzierungs-Boom für Jungunternehmen hält an“, beobachtet Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY in Deutschland. „Immer mehr Start-ups erhalten frisches Kapital, und auch die investierten Summen klettern auf Rekordniveau. Gerade sehr große Deals boomen: Europaweit hat sich die Zahl der Transaktionen, bei denen 100 Millionen Euro und mehr geflossen sind, von zwölf auf 26 mehr als verdoppelt.“
„Das europäische Start-up-Ökosystem ist im ersten Halbjahr noch stärker geworden“, ergänzt Peter Lennartz, Partner bei EY. „Die Dynamik ist beeindruckend und erreicht zunehmend auch kleinere Märkte, die bislang nicht so im Fokus standen. So stieg die Zahl der Finanzierungsrunden beispielsweise in Schweden um 19 Prozent, in der Schweiz um 25 Prozent und in Ungarn um 22 Prozent.“
Besonders auffallend sei der anhaltende Aufwärtstrend in Frankreich, so Lennartz: „Die französische Politik hat den Start-up-Sektor zur Chefsache erklärt und verfolgt das klare Ziel, Frankreich zum Top Start-up-Standort in Europa zu machen, indem bürokratische Hürden für Jungunternehmer abgebaut werden und der Staat Investoren und Gründer zusammenbringt. Die massive politische Unterstützung für die Start-up Szene zeigt Wirkung – bei der Zahl der Transaktionen liegt Frankreich inzwischen deutlich vor Deutschland.“
Neben der dynamischen Entwicklung in Frankreich sei vor allem der enorme Vorsprung Londons bemerkenswert, fügt Lennartz hinzu: „Jeder dritte Euro an Risikokapital, der im ersten Halbjahr in Europa investiert wurde, floss an ein Londoner Start-up. Das Brexit-Chaos scheint der starken Entwicklung der Londoner Start-up-Szene kaum etwas anhaben zu können. Insgesamt 16 Finanzierungsrunden oberhalb der 50 Millionen Euro Marke wurden in der britischen Hauptstadt allein im ersten Halbjahr gezählt – Berlin und Paris kommen jeweils auf neun Transaktionen in dieser Größenordnung.“
Sehr starkes zweites Halbjahr absehbar – vor allem in Deutschland
Die aktuelle Konjunkturflaute scheint dem Risikokapitalmarkt kaum etwas anhaben zu können – zumindest hält der Aufwärtstrend im laufenden zweiten Halbjahr in Deutschland an: Im dritten Quartal flossen hierzulande 2,2 Milliarden Euro an Jungunternehmen – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum (965 Millionen Euro). Insgesamt liegt das Finanzierungsvolumen in Deutschland damit derzeit bei 4,9 Milliarden Euro – und bereits auf dem Niveau des gesamten Vorjahres. „Auch im dritten Quartal hielt der Trend zu großen Finanzierungsrunden an“, beobachtet Lennartz.
Britisches Start-up erhält das meiste Geld
Die größte Finanzierung des Jahres im bisherigen Jahresverlauf ging an ein britisches Unternehmen: Das Internet-Satelliten-Start-Up-Unternehmen OneWeb erhielt 1,1 Milliarden Euro. Die zweitgrößte Transaktion war die 885-Millionen-Euro Finanzierung für den schwedische Batteriehersteller Northvolt, an der sich unter anderen Volkswagen und BMW beteiligten. Der größte Deal in Deutschland – eine Finanzspritze von 428 Millionen Euro für die Berliner Reise Plattform GetYourGuide – rangiert in der Europa-Rangliste auf dem fünften Platz.
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