Neue stabile Form von Plutonium entdeckt

11.11.2019 - Deutschland

Eine internationale Forschergruppe unter der Leitung von Dr. Kristina Kvashnina vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) hat eine neue Form des Plutoniums entdeckt: eine stabile Phase mit der Wertigkeit 5. Diese Phase, von der bislang angenommen worden war, dass sie gar nicht existiert, könnte bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle eine Rolle spielen.

HZDR/Denis Morel

Die HZDR-Forscherin Dr. Kristina Kvashnina an der Rossendorf Beamline am Europäischen Synchrotron ESRF in Grenoble

Die sichere Endlagerung von Nuklearabfällen ist eine Herausforderung. Denn auch über sehr lange Zeiträume hinweg dürfen Radionuklide nicht in die Umwelt gelangen. Plutonium zählt dabei – wie beispielsweise auch Uran – zu den besonders problematischen Elementen. Denn obwohl sich Plutonium als Schwermetall nicht besonders gut im Wasser löst, hatten Forscher in kontaminierten Gebieten festgestellt, dass es innerhalb weniger Jahrzehnte mit dem Grundwasser über Kilometer hinweg transportiert worden ist. Und zwar „reist“ es sozusagen als Anhalter, indem es sich an Kolloide bindet, also an nanometergroße Partikel von Tonmineralen, Eisenoxiden oder organischer Substanz.

2006 erregte diese Entdeckung großes Aufsehen, und es war klar, dass die Effekte in die Risikobetrachtung von Endlagern einbezogen werden müssen. Nun ist es einem HZDR-Team unter Leitung von Kristina Kvashnina in Kooperation mit der Moscow State University, der Uppsala University und dem Joint Research Center (JRC) in Karlsruhe gelungen, diese Risikobetrachtung um eine Facette ergänzen. Aus purem Zufall. Denn eigentlich ging es bei diesen Experimenten um etwas vollkommen anderes. Die Forscher wollten ursprünglich untersuchen, wie sich aus verschiedenen Vorläufersubstanzen Nanopartikel aus Plutoniumdioxid (PuO2) herstellen lassen. Diese Partikel sollten dann an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble näher untersucht werden.

Das chemische Verfahren war immer genau gleich – nur, die Oxidationsstufen des Plutoniums, das als Ausgangsstoff diente, unterschieden sich. Alles lief, wie erwartet, und die PuO2-Nanopartikel, die an ihrer grünen Farbe leicht zu erkennen sind, entstanden sehr schnell. Doch dann setzte das Team sechswertiges Plutonium ein: „Plötzlich beobachteten wir mitten drin ein verrücktes Phänomen, denn die Lösung färbte sich gelb“, erinnert sich Kristina Kvashnina.

Offenbar lief da eine Reaktion ab, bei der ein unbekanntes Produkt entstand. Um herauszufinden, was es war, verpackte Kvashnina die gelbe Lösung in Spezialcontainer und brachte sie nach Grenoble. Dort wurden die Proben an der Synchrotron-Strahllinie ROBL (Rossendorf Beamline) des HZDR mit einem Verfahren namens HERFD analysiert. HERFD steht für High-Energy-Resolution Fluorescence Detection Experiment. Es handelt sich um eine röntgenabsorptionsspektroskopische Untersuchung, mit der sich das Verhalten von Elektronen beobachten lässt. „So entdeckten wir, dass die Oxidationsstufe des Plutoniums in dieser gelben Lösung tatsächlich 5 beträgt“, erklärt Kristina Kvashnina.

Damit lag es in einer Form vor, die bislang als exotisch galt und von der viele Forscher noch nicht einmal glaubten, dass sie existiert: Sie sollte instabil sein. Wie groß die Zweifel an den Ergebnissen waren, zeigte sich, als das Team seine Daten mit Kollegen von der Moscow State University durchging: Die hielten die Messungen für das Ergebnis einer schiefgelaufenen Synthese. Die Forscher wiederholten ihre Synthesen und Messungen, setzten auch noch eine zweite Strahllinie am Europäischen Synchrotron ESRF ein. Doch die Ergebnisse blieben gleich. Außerdem konnte das Team durch Messungen drei Monate später die Langzeitstabilität nachweisen. Dann gab es auch noch Bestätigung von anderer Seite: Zwei theoretische Chemiker vom HZDR und der Universität in Uppsala kamen mit ihren chemischen Modellierungen zu dem Ergebnis, dass tatsächlich eine stabile Phase des fünfwertigen Plutoniums existiert.

„Ohne die Analysemöglichkeiten, die die Synchrotronstrahlung bietet, und die Möglichkeit, an unserer Rossendorfer Strahllinie ROBL auch mit Radionukliden zu arbeiten, wäre diese Entdeckung niemals gelungen“, erklärt Kristina Kvashnina. Und sie ist davon überzeugt, dass diese Entdeckung von großer praktischer Bedeutung ist, wenn es darum geht, das Verhalten der Radionuklide im Atommüll über eine Million Jahre hinweg vorherzusagen: „Wenn diese neue stabile Phase berücksichtigt wird, dürfte das sicherlich die Ergebnisse der theoretischen Vorhersagen verändern“, urteilt die Forscherin. Deshalb hat die Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ die Ergebnisse jetzt als „Very Important Paper“ (VIP) veröffentlicht.

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