Start-up-Investitionen in Europa auf Rekordhoch
Immer mehr Kapital kommt aus dem außereuropäischen Ausland
Über die vergangenen zwölf Monate haben die Payment-Plattform Stripe und das Technologiemedium Tech.eu die Investitionen in europäische Start-ups der letzten drei Jahre analysiert. Dabei kam heraus, dass sich die Early-Stage- und Later-Stage-Investitionen vervierfacht haben, und Start-ups in der Wachstumsphase erhielten doppelt so viel Kapital wie noch vor drei Jahren. Über alle Start-up-Reifegrade hinweg sind Fintech, Software as a Service (SaaS) und Medtech die Branchen, die besonders viel Venture Capital erhielten. Die Branche Mobilität und Transportwesen wird vor allem in späteren Phasen stark mit Kapital versorgt. Führend bei den Investitionssummen sind Start-ups aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Aber auch Schweden und die Schweiz belegen über alle Phasen hinweg vordere Plätze. Auffällig auch: Immer mehr Kapital kommt aus dem außereuropäischen Ausland.
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Start-up-Investitionen auf historisch hohem Niveau
Die Investitionen in die europäische Tech-Branche sind deutlich gestiegen. Über alle Phasen hinweg wurde in den letzten drei Jahren so viel Kapital investiert wie noch niemals zuvor. Die Early-Stage-Investitionen haben sich in Europa seit dem ersten Halbjahr 2015 vervierfacht - von 875 Millionen Euro auf mehr als 3,6 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2018. Das Gesamtkapital, das 2017 in Early-Stage-Start-ups investiert wurde, betrug 19 Milliarden Euro.
Das entspricht einem Anstieg von 36 Prozent gegenüber den 14,3 Milliarden Euro an Investitionen im Jahr 2016. Insbesondere in den letzten drei Jahren haben die Investitionen in Europas Start-ups in einer frühen Phase ein beispielloses Wachstum erfahren - sowohl in der Gesamtsumme als auch beim Volumen der einzelnen Investitionen.
Das Gesamtkapital, das zwischen 2016 und 2018 in europäische Growth-Stage-Start-ups investiert wurde, betrug 30 Milliarden Euro und verteilte sich auf mehr als 2.300 Finanzierungsrunden. Sowohl die Gesamtinvestitionen in Growth-Stage-Start-ups als auch die Anzahl der Finanzierungen haben sich in den letzten drei Jahren etwa verdoppelt.
Insgesamt haben mehr als 2.000 Start-ups die Wachstumsphase mit Fremdkapital erreicht. Die mittlere Investitionssumme lag bei 10 Millionen Euro.
Für Later-Stage-Investitionen in Europa war 2019 ein Rekordjahr. Wenn sich der aktuelle Trend fortsetzt, wird es 2019 voraussichtlich rund
70 "Megafinanzierungsrunden" über 100 Millionen Euro geben, was in einem Jahr mehr wäre als in den letzten drei Jahren zusammen. Allein in den ersten drei Quartalen im Jahr 2019 wurden in ganz Europa mehr als 52 Transaktionen im Wert von 100 Millionen Euro oder mehr verzeichnet. Darunter waren Deliveroo (UK), N26 (Deutschland), Glovo (Spanien), Doctolib (Frankreich), Klarna (Schweden) und OutSystems (Portugal). Das sind schon jetzt mehr als 2017 und 2018 zusammen und fast viermal so viele wie 2016. Die Daten zeigen auch, dass sich die gesamten Investitionen in der Spätphase in weniger als drei Jahren vervierfacht haben: von 3 Milliarden Euro im Jahr 2016 auf 12 Milliarden Euro im Zeitraum Q1 bis Q3 2019.
Start-ups aus Frankreich, UK, Deutschland und Schweden erhalten am meisten Kapital
Betrachtet man die letzten drei Jahre, zeigen die Zahlen, dass Frankreich und das Vereinigte Königreich bei den Early-Stage-Investitionen gleichauf liegen. Die Studie zeigt, dass auf Frankreich fast ein Viertel (24,04 Prozent) der Deals in Europa entfiel, nur knapp hinter dem britischen Anteil von 24,59 Prozent.
Dies unterstreicht das Wachstum der französischen Start-up-Szene in den letzten Jahren. Andere europäische Länder wie Spanien (3,9
Prozent) oder Italien (1,92 Prozent) erhielten deutlich weniger Kapital, und auch Deutschland lag mit 12,65 Prozent weit hinter den beiden führenden Ländern.
Allerdings übersteigen die Finanzierungssummen der britischen, deutschen, französischen und schwedischen Wachstums-Start-ups in diesem Zeitraum 21 Milliarden Euro. Das entspricht 70 Prozent der Investitionen insgesamt und ist fast doppelt so viel wie die Summe des aufgenommenen Kapitals der nächsten 20 Länder im Ranking. Das Vereinigte Königreich liegt dabei deutlich in Führung (8,82 Milliarden Euro). Frankreich (5,44 Milliarden Euro) und Deutschland
(4,85 Milliarden Euro) liegen dahinter und holen schnell auf: Die Erhebungen von Stripe und Tech.eu zeigen, dass die Gesamtinvestitionen in Wachstumsunternehmen in Frankreich und Deutschland zwischen 2017 und 2018 um rund 27 Prozent bzw. 26 Prozent gestiegen sind, während die Zahl in Großbritannien praktisch stagnierte.
Die Schweiz landet mit einem satten Plus von über 40 Prozent (2017-2018) auf Rang 5 in Europa und kommt auf insgesamt 1,26 Milliarden Euro investiertem Kapital in den vergangenen drei Jahren.
Dahinter folgen Spanien (1,13 Milliarden Euro), die Niederlande (0,91 Milliarden Euro), Irland (0,78 Milliarden Euro), Finnland (0,71 Milliarden Euro), Belgien (0,56 Milliarden Euro), Russland (0,56 Milliarden Euro), Dänemark (0,44 Milliarden Euro) und Italien (0,34 Milliarden Euro). Österreich liegt an 15. Stelle mit 246 Millionen Euro.
Bei den europäischen Later-Stage-Investitionen sind Deutschland und Großbritannien die Treiber. Von 2015 bis zum dritten Quartal 2019 wurden in beiden Ländern in Megafinanzierungsrunden von über 100 Millionen Euro insgesamt knapp 15,3 Milliarden Euro investiert. Das sind mehr als in allen anderen Ländern zusammen während dieses Zeitraums (14,7 Milliarden Euro). Spätphasen-Start-ups mit Sitz in Deutschland und Großbritannien festigen im Jahr 2019 ihren Vorsprung und bleiben vor Israel, Schweden und Frankreich, die die Top-5-Liste komplettieren. Danach folgen die Schweiz und mit einigem Abstand Spanien, Rumänien, die Niederlande, Portugal und Finnland. Irland und Österreich belegen abgeschlagen die Ränge 13 und 15. Den meisten Zuwachs konnten von 2017 bis 2018 Belgien (+ 42,94 Prozent), die Schweiz (+ 40,24 Prozent), Frankreich (+ 26,84 Prozent) sowie Deutschland (+ 25,92 Prozent) erreichen. Den stärksten Rückgang hatten im selben Zeitraum Spanien (- 27,68 Prozent) und Finnland (-22,02 Prozent).
Außereuropäische Investoren maßgeblich für sprunghaften Anstieg verantwortlich
Die aktivsten Investoren in europäische Start-ups in der Wachstumsphase waren 2016 bis 2018 Bpifrance (55 Runden), Balderton Capital (40 Runden), Idinvest Partners (36 Runden), Index Ventures
(34 Runden) und Partech Ventures (33 Runden). Obwohl Deutschland ein beliebtes Zielland für Investitionen ist, investieren deutsche VCs eher selten. Wenn man die europäischen VCs betrachtet, kommt mit Holtzbrinck Ventures erst an siebter Stelle im Ranking ein deutscher Vertreter (gemessen an der Zahl der Einzelinvestments).
Betrachtet man nur die Later-Stage-Runden in europäische Tech-Unternehmen, fällt auf, dass 75 Prozent des Kapitals aus dem außereuropäischen Ausland kommt. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus außereuropäischen PE- und VC-Firmen, Großunternehmen wie Microsoft und Amazon, Hedgefonds, Staatsfonds und ähnliche.
Von den Top-Ten-Investoren in Megafinanzierungsrunden in europäische Technologie-Unternehmen haben mehr als die Hälfte (6) ihren Sitz außerhalb Europas (USA, Japan, Südafrika, Hongkong, Singapur und China).
Der japanische Investor SoftBank ist für einen massiven Zufluss von Later-Stage-Finanzierungen in Europa verantwortlich. Über ihren Vision Fund hat SoftBank von 2015 bis Q3 2019 fast 4 Milliarden Euro in europäische Later-Stage-Start-ups investiert, während die Nummer 2, Insight Venture Partners (US), in diesem Zeitraum etwa 1,4 Milliarden Euro aufbrachte.
Betrachtet man nur die Anzahl der in Europa ansässigen Investoren, die von 2015 bis Q3 2019 an Later-Stage-Finanzierungsrunden teilnahmen, so ist das Vereinigte Königreich mit 30 Unternehmen führend. Darauf folgen 20 aus Frankreich und nur 17 aus Deutschland.
Fintech-, Medtech- und Software-Start-ups erhalten am meisten Kapital Die attraktivsten Branchen für Early-Stage-Investments und Growth-Stage-Investements waren Fintech, Medtech, Software as a Service, Analytics und Mobility/Transportation. In der späten Phase sind Fintech, Mobilität und Transportwesen, Software, Foodtech und Medtech am attraktivsten.
Von 2015 bis Q3 2019 ging das meiste Kapital in der Spätphase an Delivery Hero (Deutschland), Spotify (Schweden), Roivant (Schweiz), Deliveroo (Großbritannien) und Auto1 (Deutschland).
Trend: Weniger Börsengänge und Übernahmen
Während immer mehr Kapital in der späten Phase in europäische Technologieunternehmen fließt, entscheiden sich immer mehr Unternehmen dafür, nicht an die Börse zu gehen und ohne Fremd- oder öffentliches Kapital zu wachsen. Obwohl es in den letzten Jahren hochkarätige Listings von europäischen Technologie-Unternehmen wie Spotify, Delivery Hero oder Farfetch gab, sinkt die Zahl der IPOs (Initial Public Offerings) schnell. Während es im Rekordjahr 2017 36 IPOs europäischer Technologieunternehmen gab, wurden 2018 nur 21 verzeichnet. Mit bisher nur fünf Tech-IPOs im Jahr 2019 sinkt die Zahl weiter kontinuierlich.
Gleiches gilt für Übernahmen. Denn immer mehr europäische Technologie-Unternehmen gehen ihren eigenen Weg. Die Daten zeigen, dass es im Jahr 2015 629 Übernahmen gab. Diese Zahl sank bis 2017 um fast 12 Prozent auf 555 M&A-Deals (Mergers & Acquisitions) und in den ersten drei Quartalen 2019 auf nur 273 Exits durch Übernahme.
Methodik
In Zusammenarbeit zwischen der Payment-Plattform Stripe und den Forschungsspezialisten von Tech.eu entstanden in den letzten zwölf Monaten drei Reports zu Investitionen in den unterschiedlichen Reifephasen von Start-ups. Die Reports analysieren den Zustand Europas mit Blick auf Technologiepolitik, Ökosysteme und Infrastruktur.
Die Reports beschäftigten sich mit der Finanzierung und Aktivität von Start-ups von 2016 bis 2019. Seit November 2013 hat Tech.eu kontinuierlich über 200 Quellen für Nachrichten und Informationen in verschiedenen europäischen Regionen und Sprachen beobachtet. Auch Berichte aus dem Netzwerk der Analysten wurden berücksichtigt. In vielen Fällen wurde die Größe der Transaktion nicht bekannt gegeben.
In solchen Fällen wurden Schätzungen zugrunde gelegt.
Die Autoren haben sich entschieden, Nicht-EU-Länder wie Israel, Russland, die Türkei, Norwegen, die Schweiz und andere, soweit verfügbar, in diese Analyse einzubeziehen, da sie diese als integralen Bestandteil der europäischen Technologieindustrie betrachten. Das steht im Einklang mit der allgemeinen Redaktionspolitik von Tech.eu.
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