Das 136 Millionen Atom-Modell

Wissenschaftler simulieren Photosynthese

10.12.2019 - Deutschland

Die Umwandlung von Sonnenlicht in chemische Energie ist für das Leben unerlässlich. In einer der größten Simulationen eines Biosystems weltweit haben Wissenschaftler diesen komplexen Prozess an einem Bestandteil eines Bakteriums nachgeahmt – am Computer, Atom um Atom. Die Arbeit, die jetzt in der Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlicht wurde, ist ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis der Photosynthese in einigen biologischen Strukturen. An der internationalen Forschungskooperation unter Leitung der University of Illinois war auch ein Team der Jacobs University Bremen beteiligt.

Christopher Maffeo, University of Illinois

Kugelrund ist das Modell des Chromatophors, für das die Wissenschaftler Rechner mit einer enormen Kapazität nutzten. Die Simulation verhält sich genauso wie ihr Gegenstück in der Natur.

Das Projekt geht zurück auf eine Initiative des inzwischen verstorbenen, deutsch-US-amerikanischen Physikprofessors Klaus Schulten von der University of Illinois, der daran forschte, atomare Wechselwirkungen lebender Systeme zu verstehen und darzustellen. Seine Arbeitsgruppe modellierte das Chromatophor, so heißt ein Licht absorbierender Teil einer Zelle, das chemische Energie in Form eines Moleküls namens ATP ausschüttet. Diese Chromatophoren findet sich in pflanzlichen Zellen aber auch in manchen Bakterien.

„Sie wirken wie eine Solarzelle der Zelle. Mit ihren Antennenkomplexen nehmen sie das Licht auf und schütten Energie in Form von ATP für alle anderen Aktivitäten der Zelle wieder aus“, sagt Ulrich Kleinekathöfer. Der Professor für theoretische Physik an der Jacobs University hat gemeinsam mit seiner Doktorandin Ilaria Mallus an dem Projekt mitgewirkt. Auf Basis der Daten der amerikanischen Kollegen führten sie quantenmechanische Berechnungen für das Modell durch.

Um herauszufinden, wie dieses System funktioniert, sezierte die internationale Forschergruppe das Chromatophor mit jedem der Wissenschaft zur Verfügung stehenden Werkzeug, von Laborexperimenten über Rasterkraftmikroskopie bis hin zu Softwareinnovationen. Alle Teile wurden in dem 136 Millionen Atome umfassenden Modell, das sich wie sein Gegenstück in der Natur verhält, wieder zusammengesetzt. Möglich war das nur mithilfe von enorm leistungsfähigen Supercomputern. „Standardsimulationen arbeiten mit etwa 100.000 Atomen, dieses Modell ist um einen Faktor 1.000 größer, es ist ein Vorstoß in neue Dimensionen“ sagt Kleinekathöfer.

Bislang konnten Forscher normalerweise nur einzelne Proteine simulieren. Das Modell zeigt das Wechselspiel sehr vieler Proteine über die gesamte Prozesskette, von der Lichtabsorption bis zur Herstellung von ATP. „Irgendwann werden wir es schaffen ein ganzes Bakterium oder eine ganze Zelle zu simulieren“, glaubt Kleinekathöfer. „Dies ist ein wichtiger Schritt in Richtung auf dieses Ziel.“

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