Stickstoffverbindungen mit überraschenden Strukturen entdeckt
Wertvolle Ansatzpunkte für das Design und die Synthese neuer High-Tech-Materialien
Maxim Bykov
Scheinbar paradox: Hochdruck erzeugt Hohlräume
Es ist eine alltägliche Erfahrung: Je kräftiger der Druck ist, den man von allen Seiten auf einen Gegenstand ausübt, desto mehr wird er zusammengepresst. Das Volumen verringert sich und Hohlräume im Inneren verschwinden. Doch genau dieser Erfahrung widersprechen die neuen Hochdruck-Experimente an der Universität Bayreuth. Bei einem Kompressionsdruck von rund einer Million Atmosphären, wie er rund 2.500 Kilometer unterhalb der Erdoberfläche herrscht, entstehen aus Stickstoff-Atomen und den Atomen eines Metalls poröse Gerüststrukturen. Dabei bauen Stickstoff-Atomen beispielsweise zickzackförmige Ketten auf. In die Hohlräume der neuen Kristalle dringen Stickstoff-Moleküle (N₂) ein. Bei den in den Experimenten verwendeten Metallen handelt es sich um Hafnium (Hf), Wolfram (W) und Osmium (Os). Sie zählen aufgrund ihrer Positionen im Periodensystem der Elemente zur Klasse der Übergangsmetalle.
Hochdruck macht Stickstoff bindungsfreudig
„Unter normalen Drücken und Temperaturen, wie wir sie auf der Erde kennen, sind Stickstoffmoleküle sehr bindungsunwillig. Deshalb ist es faszinierend zu beobachten, wie sich unter hohen Drücken das Bindungsverhalten des Stickstoffs radikal ändert. Es entstehen komplexe Gerüststrukturen, die unterschiedliche Arten chemischer Bindungen enthalten. In jedem Fall sind diese Strukturen porös – was sehr ungewöhnlich ist, wenn man beispielsweise bedenkt, wie sich Graphitschichten unter Hochdruck in kompakte und sehr harte Diamanten verwandeln“, erklärt Prof. Dr. Natalia Dubrovinskaia vom Labor für Kristallographie der Universität Bayreuth, die an der neuen Studie maßgeblich beteiligt war.
Wie die komplexe Gerüststruktur aussieht, die im Einzelfall entsteht, hängt entscheidend von der Wahl des Übergangsmetalls ab. Dies bedeutet im Prinzip, dass die Synthese der Nitride gezielt gesteuert werden kann – zumindest unter hohen Drücken, wie sie im Labor erzeugt werden können.
„Im Hinblick auf die wachsende technologische Bedeutung von Nitriden, beispielsweise für die Elektronik oder Energiespeicherung, bietet unsere neue Studie zahlreiche Anregungen für die Entwicklung neuer High-Tech-Materialien“, sagt Dr. Maxim Bykov, Erstautor der Studie.
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