Chemie als Schlüssel für nachhaltige Energiekonzepte
Ressourcenschonend und effizient: Nanomaterialien ermöglichen neue Funktionen
Universität Paderborn
Nanomaterialien, also Stoffe mit Strukturen auf einer Größenskala im Bereich von wenigen Nanometern (Millionstel Millimetern), sind dabei von ganz besonderer Bedeutung: Aufgrund ihrer Struktur besitzen sie besondere Eigenschaften, die oftmals ganz neue Funktionen für nachhaltige Energiekonzepte ermöglichen. Wie sich mithilfe dieser Stoffe leistungsstärkere Batterien entwickeln lassen oder ein Wasserstoff-Auto weitere Entfernungen zurücklegen kann, erforschen Wissenschaftler der Arbeitsgruppe „Anorganische Funktionsmaterialien“ an der Universität Paderborn.
Energiespeicherung und -gewinnung: Auf die Chemie kommt es an
„Alle wichtigen Methoden zur Speicherung elektrischer Energie basieren auf chemischen Vorgängen“, erklärt Prof. Dr. Michael Tiemann, Leiter der Arbeitsgruppe. Damit sich Elektrizität überhaupt in nennenswerten Mengen speichern lässt, muss sie zunächst in eine andere Energieform umgewandelt werden. „Dabei handelt es sich fast immer um ‚chemische Energie‘“, so der Wissenschaftler. „Man erzeugt chemische Verbindungen, oder – im Falle von Wasserstoff – ein chemisches Element, wobei man Energie verbraucht. Diese Energie wird später bei Bedarf wieder verfügbar, wenn die Verbindung chemisch ‚zurückreagiert‘. Die freiwerdende Energie wird dann als elektrischer Strom gewonnen“. Der Professor für Anorganische Chemie nennt ein einfaches Beispiel: „In jeder Batterie finden solche chemischen Reaktionen statt: Beim Laden der Batterie wird für diese Reaktionen elektrischer Strom verbraucht, beim Entladen, also bei der Nutzung der Batterie, wird der Strom wieder frei, weil die Reaktion nun in umgekehrter Richtung abläuft. Wir sprechen daher auch von ‚elektrochemischen Zellen’.“ Letztlich seien Batterien daher nichts anderes als kleine „chemische Reaktoren“.
In nachhaltigen Energiekonzepten ist die Energiespeicherung aber eigentlich erst der zweite Schritt. Zunächst muss die Energie aus einer regenerativen Quelle gewonnen werden. Auch für diesen ersten Schritt der Energiegewinnung komme es in zunehmendem Maße auf die Chemie an, wie Tiemann erläutert: „Wasserstoff, zum Beispiel für die Brennstoffzelle, kommt in der Natur nicht in elementarer Form vor, sondern muss erst chemisch erzeugt werden. Zwar ist das mit regenerativen Mitteln derzeit noch nicht sehr effizient, doch zukünftige Methoden werden auf fortgeschrittenen chemischen Verfahren beruhen, etwa auf der sogenannten photokatalytischen Wasserspaltung.“
Neue Funktionen durch Nanomaterialien
Um nachhaltige Energiekonzepte auszubauen und zu verbessern, konzentriert sich das Team rund um Tiemann auf nano- und mikrostrukturierte Feststoffe. Die Untersuchungsobjekte der Chemiker bewegen sich dabei auf einer Größenskala im Bereich von wenigen Nanometern: „Wir erforschen sogenannte Nanomaterialien. Diese Stoffe sind sehr viel kleiner als die Dinge, mit denen wir es im Alltag normalerweise zu tun haben. Ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter. Ein menschliches Haar zum Beispiel, ist immer noch zehntausend bis hunderttausend Nanometer dick“, so Tiemann.
Die Forschungsaktivitäten der Paderborner Wissenschaftler liegen einerseits in der Synthese neuer nanostrukturierter Materialien, andererseits in der Untersuchung ihrer besonderen Funktionen. Dazu der Chemiker: „Stoffe, insbesondere Festkörper, mit bestimmten Eigenschaften, durch die sie für besondere Aufgaben – also Funktionen – eingesetzt werden können, bezeichnet man als Funktionsmaterialien.“ Nanomaterialien haben Tiemann zufolge aufgrund ihrer Nanostruktur oftmals besondere Eigenschaften, durch die sie sich von Stoffen der klassischen Molekül- oder Festkörperchemie unterscheiden. „Chemiker können solche Eigenschaften zielgerichtet beeinflussen und für bestimmte Anwendungen optimieren“, betont er. Die jeweilige Funktion der Stoffe sei dabei immer mit der chemischen Zusammensetzung und/oder mit der Struktur des Materials verknüpft. Eine wichtige Funktion in modernen, nachhaltigen Energie- und Mobilitätskonzepten haben insbesondere auch poröse Nanomaterialen: In diesen Stoffen, also Materialien mit regelmäßigen Hohlräumen und Kanälen von wenigen Nanometern Durchmesser, wie Metalloxide, Kohlenstoff oder Gerüstverbindungen, lassen sich Atome oder Moleküle einlagern und transportieren. Dadurch besitzen sie vielversprechende Eigenschaften für verschiedene Anwendungsfelder.
Moderne Energie- und Mobilitätskonzepte durch nanoporöse Materialien
In der Arbeitsgruppe entwickeln die Chemiker solche nanoporösen Materialien, um sie u. a. als Elektroden in Batterien zu verwenden, beispielsweise in Lithium-Ionen-Batterien, die heute in zahlreichen Produkten wie Smartphones, Laptops oder Elektroautos vorkommen. Tiemann erklärt: „In einer solchen Batterie werden die Lithium-Ionen beim Laden bzw. Entladen in den Nanoporen des Elektrodenmaterials ein- bzw. ausgelagert, wobei die Elektrode elektrisch leitend ist. Wir stellen neue Elektrodenmaterialien durch chemische Synthese her, bauen sie in Batterien ein und testen diese dann.“ Langfristiges Ziel der Wissenschaftler ist es, noch leistungsstärkere Batterien zu entwickeln und alternative Batterie-Konzepte zu verwirklichen – etwa durch den Verzicht auf knappe Ressourcen wie Cobalt oder das Lithium selbst.
Außerdem wollen die Wissenschaftler verbesserte Membranen mit robusten Eigenschaften für die nächste Generation von Brennstoffzellen entwickeln. Ihr Plan: Durch höhere Wirkungsgrade sollen etwa Wasserstoff-Autos mit einer Tankfüllung weitere Entfernungen zurücklegen können. Tiemann: „Daher forschen wir auch an nanoporösen Materialien für die Verwendung in Wasserstoff-Brennstoffzellen. Solche Zellen versorgen beispielsweise in den Wasserstoff-Autos den Elektromotor mit Strom. Anstelle von Kraftstoffen aus fossilen Quellen tankt man Wasserstoff und aus dem Auspuff kommt lediglich Wasserdampf.“ Der Chemiker schildert den Vorgang: Das Herzstück einer solchen Brennstoffzelle ist die ionenleitende Membran, die die beiden Elektroden – die Anode, wo der Wasserstoff oxidiert wird und die Kathode, an der die Reduktion von Luft-Sauerstoff erfolgt – trennt. Durch die Nanoporen dieser Membran müssen Ionen – meist Protonen, also Wasserstoff-Ionen – hindurchwandern können, ohne dass das Material zugleich elektrisch leitend sein darf. „Wir stellen solche ionenleitenden Materialien her und untersuchen deren Leitfähigkeit. Diese sehr spezielle Funktion stellt eine besondere Herausforderung für die chemische Synthese dar“, so Tiemann.
Chemische Gas-Sensoren zur Überwachung von Emissionen
Auch bei der Überwachung von Emissionen bieten nanostrukturierte Materialien besondere Vorteile. Daher forschen die Chemiker außerdem an nanoporösen Metalloxiden, die sich aufgrund ihrer Empfindlichkeit als Gas-Sensoren einsetzen lassen. Dabei handelt es sich meistens um halbleitende Materialien, die ihre elektrische Leitfähigkeit ändern, wenn Gas-Moleküle mit ihnen in Berührung kommen. Diese Änderung der Leitfähigkeit lässt sich messen, sodass selbst kleinste Konzentrationen eines bestimmten Gases ermittelt werden können. „Die Konzentrationen können im sogenannten ppm-Bereich (parts per million), oder sogar noch darunter liegen. Das bedeutet, dass nur ein einziges Molekül des gesuchten Gases unter einer Million anderer Moleküle in der Luft zu finden ist,“ erklärt Tiemann. Auf diese Weise will die Arbeitsgruppe den ressourcenschonenden und effizienten Energieverbrauch weiter optimieren.
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