Bipolar gedopt
Neuer Ansatz erlaubt, die Leitfähigkeit von Halbleitern umkehrbar zu steuern
HZDR/Juniks
Ausgangspunkt der Überlegungen der Forscher aus Bowling Green (Ohio), Dresden, Berkeley und Los Alamos war eine besonders auffällige Eigenschaft des Materials: die Breite seiner Bandlücke. Sie ist ein Maß für den energetischen Abstand zwischen Valenz- und dem Leitungsband eines Festkörpers. Bei Halbleitern ist bei sehr tiefen Temperaturen zunächst nur das Valenzband mit Ladungsträgern besetzt, das Material ist nichtleitend. Durch Energiezufuhr können sie jedoch in das Leitungsband überführt werden und einen Stromfluss ermöglichen.
„Die Bandlücke von Galliumoxid gilt unter Experten als ultrabreit“, erläutert Dr. Andreas Wagner, Leiter der Abteilung Kernphysik am HZDR und Koautor der Studie: „Sie macht das Material besonders attraktiv für die Leistungselektronik, denn sie verspricht Anwendungen in Bereichen hoher elektrischer Feldstärken, bei denen heute etablierte Halbleitermaterialien unweigerlich zerstört würden.“ Doch die Sache hat einen Haken: Mit zunehmender Bandlückenenergie nimmt die Effizienz gängiger Dotierungsverfahren ab.
Sanfte Dotierung
Fremdatome werden in Halbleiter eingebracht, um zusätzliche Ladungsträger in seinem Leitungsband freizusetzen. Sind es Elektronen, sprechen Wissenschaftler von n-oder negativ-Dotierung - sind es sogenannte Löcher, von p-oder positiv-Dotierung. Dieser Vorgang führt dann zur n- beziehungsweise p-Leitung. Der Einbau von Fremdatomen fügt jedoch neue Energieniveaus in die Bandlücke ein, die die Bandstruktur des Materials beeinflussen und die elektronischen Eigenschaften des Halbleiters in hohem Maße verändern können. Anders bei einer Dotierung mit Wasserstoff: Die elektronischen Eigenschaften des ursprünglichen Halbleiters bleiben nahezu unbeeinflusst – lediglich die Ladungsträger-Konzentration wird erhöht.
Mit seinen Forschungsergebnissen zeigt das Team eine neue Möglichkeit auf, Galliumoxid als Ausgangsmaterial für bipolare Transistoren zu etablieren. In diesen klassischen Halbleiterbauelementen werden n- und p-dotierte Schichten so kombiniert, dass mit Hilfe eines kleinen Steuerstroms ein größerer Stromfluss kontrolliert werden kann. Sie finden Anwendung in Verstärkern und Schaltern. Um die beiden Schichten zu erzeugen, werden typischerweise zwei unterschiedliche Materialien kombiniert. Der Clou der vorgestellten Arbeit: Die Wissenschaftler können das per Wasserstoff-Einbau in einem einzigen Material bewerkstelligen.
Stellschraube Wasserstoff
Die Forscher lagern dazu den Wasserstoff in das Kristallgitter des Galliumoxids ein. Quantenchemische Berechnungen haben gezeigt, dass die Wasserstoffmoleküle an der Galliumoxid-Oberfläche zunächst in elektrisch geladene Wasserstoff-Fragmente zerfallen, die an der Oberfläche adsorbieren. Bei hohen Temperaturen diffundieren sie in den Kristall und besetzen vorhandene Störstellen. Das sind Orte im Kristallgitter, an denen eigentlich Gallium-oder Sauerstoffionen des Halbleitermaterials anzutreffen sein sollten. Diese fehlen: Die stattdessen vorhandenen Lücken sind je nach Natur der fehlenden Bausteine elektrisch positiv oder negativ geladen und deshalb für die ebenfalls geladenen Wasserstoff-Fragmente interessant.
„Wir konnten zeigen, dass sich so nicht nur das Ausmaß der Leitfähigkeit, sondern auch ihre Natur selbst verändern lässt. Mit nur wenig eingebautem Wasserstoff verhält sich das Material wie ein p-dotierter Halbleiter, während die Zugabe von mehr Wasserstoff zum Umschalten in den n-Leitungsmodus führt“, fasst Andreas Wagner die Forschungsergebnisse zusammen.
Die Wissenschaftler versprechen sich nun unter anderem eine drastische Verringerung von Energieverbrauch und Herstellungskosten bei der Fertigung von Bauelementen für die Leistungs- und Optoelektronik. Das Hauptproblem auf dem Weg dorthin war bisher, Galliumoxid neben der n- auch zur p-Leitung zu bewegen – dieses Zwischenziel haben die Forscher mit ihrer Wasserstoff-Technik nun erreicht.