Ein 2D-Material, das immer breiter wird
Egal, ob man zieht oder drückt, das neue Material verbreitert sich immer
© Thomas Heine et al.
Zieht man ein Gummiband auseinander wird es dünner – ein physikalisches Verhalten, welches für die meisten “normalen” Materialien zutrifft. Seit dem 20. Jahrhundert ist in der Materialforschung ein entgegengesetztes Verhalten bekannt: Die sogenannten auxetischen (von altgriechisch auxetos, deutsch ‚dehnbar‘) Materialien weiten sich, wenn an ihnen gezogen wird. Gleichermaßen werden sie dünner, wenn sie zusammengedrückt werden. In der Mechanik werden sie durch eine negative Poissonzahl charakterisiert. Die wohl bekannteste und älteste Anwendung ungewöhnlicher Poissonzahlen ist der Flaschenkorken, der hat eine Poissonzahl von Null. Diese bewirkt, dass man den Korken in den dünneren Flaschenhals stecken kann.
Aufgrund ihrer besonderen Eigenschaft ermöglichen auxetische Materialien völlig neuartige Funktionalitäten und Designlösungen für eine Vielzahl innovativer Produkte mit gezielt einstellbaren Funktionseigenschaften, unter anderem bei Anwendungen in der Medizintechnik oder bei der Entwicklung von Schutzausrüstung wie Fahrradhelmen oder Sicherheitswesten.
Thomas Heine, Professor für Theoretische Chemie an der TU Dresden, hat gemeinsam mit seinem Team nun ein bislang unbekanntes Phänomen entdeckt. Auf der Grundlage von Borophen, einer atomar-dünnen Konfiguration des Elements Bor, wurde durch Zugabe von Palladium eine stabile Form mit der chemischen Zusammensetzung PdB4 gefunden. Die Berechnungen zeigen, dass sich dieses Material unter Zug wie ein auxetisches Material verhält, sich jedoch wie ein gewöhnliches Material unter Kompression verbreitert. Es ist also egal, ob man es auseinanderzieht oder zusammenpresst, das Material verbreitert sich immer.
„Neben der gründlichen Charakterisierung bezüglich Stabilität, mechanischen und elektronischen Eigenschaften des Materials haben wir den Ursprung dieses halb-auxetischen Charakters identifiziert und glauben, dass dieser Mechanismus als Designkonzept für neue halb-auxetische Materialien verwendet werden kann“, erläutert Prof. Heine, „Diese neuartigen Materialien könnten zu innovativen zu Anwendungen in der Nanotechnologie führen, beispielsweise in der Sensorik oder der Magnetooptik. Ein Übertrag auf makroskopische Materialien ist ebenso denkbar.“
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