Optisch aktive Defekte verbessern Kohlenstoffnanoröhrchen
Wissenschaftlern gelingt Defekt-Kontrolle durch neuen Reaktionsweg
Simon Settele (Heidelberg)
Mit Defekten verbindet sich normalerweise die Vorstellung von etwas „Schlechtem“, das die Eigenschaften eines Materials beeinträchtigt, es weniger perfekt macht. Solche „Fehlstellen“ können bei bestimmten Nanomaterialien wie Kohlenstoffnanoröhrchen jedoch etwas „Gutes“ bewirken und neue Funktionalitäten ermöglichen. Die genaue Art der Defekte ist dabei entscheidend. Kohlenstoffnanoröhrchen bestehen aus einem aufgerollten hexagonalen Gitter von sp2-Kohlenstoffatomen, wie sie zum Beispiel auch in Benzol zu finden sind. Diese hohlen Röhrchen haben einen Durchmesser von etwa einem Nanometer und sind bis zu einige Mikrometer lang.
Einige wenige der sp2-Kohlenstoffatome des Gitters können durch chemische Reaktionen in sp3-Kohlenstoff – wie er in Methan oder Diamant vorkommt – umgewandelt werden. Dadurch ändert sich die lokale elektronische Struktur des Kohlenstoffnanoröhrchens und ein optisch aktiver Defekt wird erzeugt. Diese sp3-Defekte leuchten insgesamt heller und mit einer längeren Wellenlänge, also noch weiter im nahen Infrarot-Bereich, als die Nanoröhrchen, die nicht funktionalisiert wurden. Aufgrund der Geometrie der Kohlenstoffnanoröhrchen ist die genaue Position der erzeugten sp3-Kohlenstoffatome ausschlaggebend für die optischen Eigenschaften der Defekte. „Bisher war es jedoch kaum möglich zu kontrollieren, welche Art von Defekt gebildet wurde“, so Jana Zaumseil, die Professorin am Physikalisch-Chemischen Institut und Mitglied des Centre for Advanced Materials der Universität Heidelberg ist.
Die Heidelberger Wissenschaftlerin und ihr Team haben nun einen neuen Reaktionsweg gefunden, der die gezielte Erzeugung von nur einer bestimmten Art von sp3-Defekten erlaubt. Genau diese optisch aktiven Defekte sind „besser“ als die sonst erzeugten „Fehlstellen“. Sie leuchten nicht nur heller, sondern zeigen auch Einzelphotonenemissionen bei Raumtemperatur, wie Prof. Zaumseil erläutert. Dabei wird immer ein Lichtteilchen nach dem anderen ausgesendet, was die Voraussetzung für Quantenkryptographie und damit für besonders sichere Telekommunikation ist.
Nach den Worten von Simon Settele, Doktorand in der Forschungsgruppe von Prof. Zaumseil und Erstautor des zu diesen Forschungsergebnissen veröffentlichten Papers, ist die neue Funktionalisierungsmethode – eine nukleophile Addition – sehr einfach und kann ohne spezielle Geräte durchgeführt werden. „Wir haben gerade erst begonnen, die verschiedenen möglichen Anwendungen auszutesten. Viele chemische und photophysikalische Aspekte sind noch unbekannt. Das Ziel ist, noch bessere Defekte zu erzeugen.“
Die Forschungsarbeiten sind Teil des von Prof. Zaumseil geleiteten Projekts „Trions and sp3-Defects in Single-walled Carbon Nanotubes for Optoelectronics“ (TRIFECTs), das mit einem ERC Consolidator Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC) gefördert wird. Im Mittelpunkt stehen dabei das Verständnis und die gezielte Veränderung der elektronischen und optischen Eigenschaften von Kohlenstoffnanoröhrchen.
„Die chemischen Unterschiede zwischen den Defekten sind sehr gering und die gewünschte Konfiguration wird meist nur bei einer Minderheit der Kohlenstoffnanoröhrchen gebildet. Die Möglichkeit, große Mengen an Nanoröhrchen mit einem spezifischen Defekt und mit einer kontrollierten Anzahl dieses Defekts zu erzeugen, eröffnet den Weg zu optoelektronischen Bauelementen und auch elektrisch angetriebenen Einzelphotonenquellen, die für zukünftige Anwendungen in der Quantenkryptographie benötigt werden“, so Prof. Zaumseil.