Programmierbare Strukturen aus dem Drucker
Neue Methode für den 3-D-Druck von Materialsystemen, die sich wie eine Kletterpflanze bewegen
Tiffany Cheng, ICD Universität Stuttgart
4-D-Druck gibt Formänderungen vor
Der 3-D-Druck hat sich als Fertigungsverfahren für eine Vielzahl von Anwendungen etabliert. Mit ihm lassen sich auch intelligente Materialien und Materialsysteme erzeugen, die nach dem Druck noch beweglich sind und mittels eines äußeren Stimulus wie Licht, Temperatur oder Feuchtigkeit selbstständig ihre Form verändern. Dieser so genannte 4-D-Druck, mit dem sich eine durch einen Reiz ausgelöste Formänderung vorgeben lässt, erweitert das Anwendungspotenzial der Systeme immens. Möglich sind solche Formveränderungen durch die chemische Zusammensetzung der Materialien, die aus Stimuli-responsiven Polymeren bestehen. Allerdings sind die Drucker und Ausgangsstoffe, mit denen solche Materialien bisher produziert werden, meist hochspezialisierte und teure Sonderanfertigungen.
Mit handelsüblichen 3-D-Druckern lassen sich Materialien herstellen, die auf Änderungen der Luftfeuchtigkeit reagieren. Sie bestehen aus einer quellenden und einer stabilisierenden Schicht. Aufgrund ihres Aufbaus können diese Materialysteme sowohl Formveränderungen des Gesamtsystems als auch einzelner Teile durchlaufen. Die Forschenden der Universitäten Freiburg und Stuttgart kombinierten zwei reaktive Materialsysteme und konnte so einen komplexen Bewegungsmechanismus realisieren: Eine gewundene Struktur, die sich durch das Aufklappen von Drucktaschen fester zieht und die sich von selbst wieder lösen kann, wenn die Drucktaschen einklappen und die gewundene Struktur in einen offenen Zustand zurückkehrt.
Natürliche Bewegungsmechanismen auf Materialsystem übertragen
Für das neue Verfahren haben sich die Wissenschaftler einen Mechanismus aus der Natur zunutze gemacht: Die Luftkartoffel klettert an Bäumen hinauf, indem sie selbst Druckkraft gegen den Stamm der Wirtpflanze aufbringt. Hierfür windet sich die Pflanze zunächst lose um einen Baumstamm, um dann Nebenblätter, so genannte Stipulae, auszutreiben, die den Abstand zwischen der Kletterpflanze und dem Stamm der Wirtspflanze vergrößern. Dabei wird der windende Stamm der Luftkartoffel unter Spannung gesetzt. Um diese Mechanismen nachzuahmen, haben die Forschenden das Materialsystem modular aufgebaut: Seine Schichten sind so strukturiert, dass es sich in verschiedene Richtungen und in unterschiedlichen Graden biegen kann und sich so schraubig windet und eine Helix-Struktur bildet. Taschen auf der Oberfläche sorgen dafür, dass die Helix nach außen gedrückt wird und unter Spannung gerät, woraufhin sich das gesamte Materialsystem zusammenzieht.
„Bisher ist unser Verfahren noch begrenzt auf vorhandene Ausgangsmaterialien, die auf Feuchtigkeit reagieren“, sagt Achim Menges. „Wir hoffen“, ergänzt Thomas Speck, „dass künftig auch preiswerte Materialien für den 3-D-Druck verfügbar sein werden, die auf andere Stimuli reagieren und die für unser Verfahren ebenfalls zum Einsatz kommen können.“