Silizium mit zweidimensionaler Struktur

Chemikern gelingt erstmals die Synthese und vollständige Charakterisierung

26.07.2021 - Deutschland

Das Halbmetall Silizium tritt in seiner natürlichen Form mit vier Bindungen zu anderen Elementen auf und hat in seiner dreidimensionalen Struktur die Form eines Tetraeders. Ein zweidimensionales Pendant – geometrisch gesehen ein Quadrat – zu synthetisieren und zu charakterisieren, schien lange Zeit nicht möglich. Nun ist es Chemikern der Universität Heidelberg gelungen, einen kristallinen Komplex mit einer solchen Konfiguration zu erzeugen. Er weist überraschende physikalische und chemische Eigenschaften auf und wird auf dem Gebiet der Molekülchemie neue Ansätze eröffnen, um das zweithäufigste Element der Erdkruste in der Katalyse und Materialforschung einzusetzen, wie Privatdozent Dr. Lutz Greb vom Anorganisch-Chemischen Institut betont.

Ebner/Greb (Heidelberg)

Veränderung der natürlichen tetraedrischen Struktur des Siliziums (oben links) in eine ungewöhnliche quadratisch-planare Geometrie (unten rechts).

Silizium als klassisches Halbmetall besitzt sowohl Eigenschaften von Metallen als auch von Nicht-Metallen und gehört im Periodensystem zur Gruppe des Kohlenstoffs. Wie Kohlenstoff geht Silizium vier Bindungen zu anderen Elementen ein. Seine dreidimensionale Struktur entspricht dabei einem Tetraeder, einem Körper mit vier Seitenflächen. Aufgrund der hohen Stabilität des Tetraeders sind im natürlichen Silizium mit vier Bindungen – abgekürzt Silizium(IV) – andere Strukturen nicht bekannt. Rein geometrisch betrachtet ist das zweidimensionale Pendant zum Tetraeder ein Quadrat. Diese Konfigurationen sind für Kohlenstoff bereits bekannt, doch auf dem Gebiet der Silizium(IV)-Chemie konnte eine quadratisch-planare Struktur, so Dr. Greb, selbst nach mehr als 40 Jahren intensiver Bemühungen noch nicht erzeugt werden.

Der Arbeitsgruppe von Dr. Greb ist erstmals die Synthese und vollständige Charakterisierung einer quadratisch-planaren Silizium(IV)-Spezies gelungen. Der Nachweis gelang mithilfe der Röntgenkristallstrukturanalyse. Die Wissenschaftler züchteten ein Einkristall, den sie mit Röntgenstrahlen beschossen. Die Ablenkung der Röntgenstrahlen an den Atomen des Einkristalls führt zu einem unverwechselbaren Muster, aus dem sich die Position der Atomkerne berechnen lässt. Mit dieser Messung konnten die Forscher belegen, dass es sich um Moleküle mit quadratisch-planarem Silizium(IV) handelt. Weitere Untersuchungen mit spektroskopischen Methoden untermauerten diese Konfiguration. Sie weist physikalische und chemische Eigenschaften auf, die die Forscher nicht erwartet hatten, beispielsweise Farbigkeit in einer natürlicherweise farblosen Substanzklasse.

„Diese Konfiguration aus den von uns gewählten Bausteinen zu synthetisieren, ist vergleichsweise einfach, wenn die entscheidenden Bedingungen dafür erst einmal verstanden sind“, erklärt Dr. Fabian Ebner, der inzwischen als Postdoktorand am Anorganisch-Chemischen Institut forscht. Eine Überraschung für die Wissenschaftler war jedoch, dass das quadratisch-planare Silizium(IV)-Molekül überhaupt eine stabile und isolierbare Verbindung darstellt. „Aufgrund der hohen Reaktivität ergeben sich viele denkbare Zersetzungswege. Dennoch haben wir immer daran geglaubt, dass es möglich ist, diese Verbindung zu isolieren“, betont Dr. Greb.

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