Kompakte Elektronen-„Kamera“ zeigt ultraschnelle Dynamik in Materie
DESY-Team stellt erstes Terahertz-unterstütztes Elektronendiffraktometer vor
DESY, Timm Rohwer
DESY, Dongfang Zhang
Die Elektronendiffraktion ist ein möglicher Weg, die innere Struktur der Materie zu untersuchen. Allerdings bildet sie die Struktur nicht direkt ab. Stattdessen werden die Elektronen auf eine systematische Weise gestreut, wenn sie die Oberfläche der Probe treffen oder durch sie hindurchfliegen. Es entsteht ein charakteristisches Streumuster auf dem Detektor, aus dem sich die innere Struktur der Probe berechnen lässt. Um dynamische Veränderungen in dieser Struktur zu beobachten, müssen die Elektronenpulse ausreichend kurz und intensiv sein. „Je kürzer der Puls, desto kürzer die Belichtungszeit“, erläutert Zhang, der inzwischen als Professor an der Jia-Tong-Universität in Shanghai arbeitet. „Typischerweise liegt die Pulslänge und damit die Belichtungszeit bei der Ultraschnellen Elektronendiffraktion UED bei rund 100 Femtosekunden, das sind 0,1 billionstel Sekunden.“
Solche kurzen Elektronenpakete lassen sich in hoher Qualität mit moderner Teilchenbeschleunigertechnik erzeugen. Allerdings sind diese Anlagen oft sehr groß, was zum Teil an der Art der Strahlung liegt, mit der diese Maschinen angetrieben werden. Sie gehört in der Regel in den Bereich der Radiowellen im Gigahertz-Bereich. Die Wellenlänge der Strahlung bestimmt die Größe vieler Komponenten, die darauf exakt abgestimmt sein müssen. Das DESY-Team nutzt für sein experimentelles Kompakt-Diffraktometer dagegen Terahertz-Strahlung mit rund hundertmal kürzerer Wellenlänge. „Das bedeutet im Grunde, dass die Beschleunigerkomponenten wie hier der Pulskompressor auch hundertmal kleiner sein können“, erläutert Kärtner, der auch Physikprofessor und Mitglied des Exzellenzclusters „Centre for Ultrafast Imaging“ an der Universität Hamburg ist.
Für ihre Machbarkeitsstudie schossen die Forscher mit ihrer Anlage Pakete von je rund 10.000 Elektronen auf einen dünnen Siliziumkristall, der durch einen kurzen Laserblitz aufgeheizt wurde. Die Elektronenpakete waren rund 180 Femtosekunden lang und zeigten deutlich, wie sich das Kristallgitter der Siliziumprobe innerhalb rund einer Pikosekunde (billionstel Sekunde) nach dem Laserbeschuss ausdehnte. „Das Verhalten von Silizium unter diesen Bedingungen ist sehr gut bekannt, und unsere Messungen passen perfekt zur Erwartung, was die korrekte Funktion unserer Anlage belegt“, sagt Zhang. Er geht davon aus, dass sich in einem optimierten Aufbau die Elektronenpakete auf deutlich unter 100 Femtosekunden komprimieren lassen, was noch erheblich kürzere Schnappschüsse ermöglicht.
Abgesehen von den kompakten Abmessungen hat das Terahertz-Elektronendiffraktometer einen weiteren Vorteil, der für bestimmte Untersuchungen sogar noch bedeutender sein könnte: „Unser System ist perfekt synchronisiert, denn wir benutzen denselben Laser für alle Schritte: Erzeugen, Manipulieren, Messen und Komprimieren der Elektronenpakete ebenso wie Erzeugen der Terahertz-Strahlung und sogar zum Aufheizen der Probe“, erläutert Kärtner. Die Synchronisierung ist ein Schlüsselelement dieser Art von Hochgeschwindigkeitsexperimenten. Um die schnellen Strukturänderungen in einer Materialprobe wie etwa Silizium zu beobachten, wird das Experiment üblicherweise viele Male wiederholt, wobei der Elektronenpuls immer stärker verzögert wird, um den zeitlichen Verlauf der Dynamik abzubilden. Je genauer sich diese Verzögerung kontrollieren lässt, umso exakter wird das Ergebnis. Üblicherweise muss es dafür eine Form von externer Synchronisierung zwischen dem Laserblitz, mit dem das Experiment beginnt, und dem Messpuls geben, in diesem Fall dem Elektronenpaket. Wenn sowohl der Beginn des Experiments als auch das Elektronenpaket von demselben Laser ausgelöst werden, sind beide bereits perfekt synchronisiert.
Im nächsten Schritt planen die Wissenschaftler, die Energie der Elektronen zu erhöhen, so dass sie dickere Proben durchleuchten können. Das Pilotexperiment verwendete Elektronen mit vergleichsweise niedriger Energie, so dass die Siliziumprobe zu einer hauchdünnen Scheibe mit lediglich 35 Nanometern Dicke geschnitten werden musste. Ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter. Mit einem zusätzlichen Beschleunigungsmodul lassen sich die Elektronen auf eine ausreichende Energie bringen, um noch rund 30 Mal dickere Proben von etwa einem Mikrometer (tausendstel Millimeter) zu durchleuchten. Bei noch dickeren Proben kommt üblicherweise Röntgenstrahlung zum Einsatz. Die Röntgenbeugung ist eine gut etablierte und extrem erfolgreiche Methode zur Untersuchung der inneren Struktur von Kristallen. Allerdings beschädigen Elektronenstrahlen die Probe nicht so schnell wie Röntgenstrahlen. „Die deponierte Energie ist bei der Verwendung von Elektronen viel niedriger“, betont Zhang. Das könnte sich als nützlich bei der Untersuchung empfindlicher Proben erweisen.