Dreieckige Honigwaben: Neues Zukunftsmaterial designed

Topologisches Quantenmaterial mit vielen Vorteilen

16.09.2021 - Deutschland

Physiker des Würzburg-Dresdner Exzellenzclusters ct.qmat – Complexity and Topology in Quantum Matter haben ein neues Quantenmaterial erfunden und hergestellt. „Indenen“ besteht aus einer einzelnen Atomlage des chemischen Elements Indium und gehört zur Materialklasse der sogenannten topologischen Isolatoren. Sein maßgeschneidertes Struktur-Design als dreieckiges Atomgitter ist für solche Materialien nicht nur vollkommen neu, sondern bietet auch wesentliche Vorteile für zukünftige Anwendungen. topologische Isolatoren gelten seit ihrem ersten Nachweis als Zukunftsmaterial für Quantencomputer und die Entwicklung kleinster elektronischer Bauteile.

ct.qmat

In der Überlagerung von gemessener Elektronenverteilung (links) und dreieckiger Atomstruktur (rechts) wird deutlich, dass die Elektronen (gelb) nicht auf den grauen Indium Atomen sitzen, sondern sich in den leeren Regionen (rot und blau) sammeln.

Smartphone, Notebook und Co. – alltägliche Elektronik verdankt ihre rasante Entwicklung immer kleiner werdenden Bauteilen. Aber: Dieser Fortschritt ist begrenzt, denn in ihrem Inneren werden die Elektronen gestreut – das Handy wird heiß.

Topologische Isolatoren versprechen eine effizientere und nachhaltigere Halbleitertechnologie. Anders als bei herkömmlichen Isolatoren bewegen sich Elektronen nur auf dem Rand des Materials, ganz ohne gestreut zu werden. Hier wird nichts warm! Laurens Molenkamp, Würzburger Physiker und Mitglied des Exzellenzclusters, hat 2007 das erste topologische Quantenmaterial nachgewiesen und damit einen weltweiten Forschungsboom ausgelöst.

Indenen – eine versteckte Honigwabe

Bei der Suche nach neuen topologischen Isolatoren sind bisher alle Theoretiker davon ausgegangen, dass die Anordnung der Atome in einem zweidimensionalen Honigwabengitter besonders vielversprechend ist – wie im Wunderwerkstoff Graphen, einer einzelnen Lage des aus Bleistiften bekannten Graphit. Nicht so das Würzburger Forscherteam: Die theoretischen Physiker um Projektleiter Giorgio Sangiovanni haben eine alternative Atomstruktur vorgeschlagen: das Dreieck.

Mit modernster Molekularstrahltechnologie haben die Experimentalphysiker aus der Arbeitsgruppe des Würzburger Clustersprechers Ralph Claessen diese Idee praktisch umgesetzt und eine einzelne Schicht Indiumatome als Dreiecksgitter auf dem Trägermaterial Siliziumkarbid aufgebaut – so entstand Indenen. Durch diese neuartige Materialkombination halten sich die Elektronen nicht direkt bei den Indiumatomen selbst, sondern bevorzugt im Raum zwischen ihnen auf. Aus der Sicht des Elektrons ergibt sich als „Negativ“ des Dreiecksgitters ein Honigwabengitter – versteckt in den Leerräumen der Atomstruktur.

Projektleiter Giorgio Sangiovanni erklärt das mit der quantenmechanischen Wellennatur von Teilchen: "Man kann sich die Indium-Elektronen als Wellen vorstellen, die sich auf den Zwischenpositionen des Dreiecksgitters überlagern. Dadurch sitzen die Elektronen nicht auf den Dreieckspositionen der Indium Atome, sondern sammeln sich in den leeren Regionen dazwischen. Interessanterweise führt die sich daraus ergebende versteckte Honigwaben-Struktur zu einem robusteren topologischen Isolator als Graphen es ist.“

Topologisches Quantenmaterial mit vielen Vorteilen

Die einzigartige Kombination aus Atomgitter und Material hat entscheidende Vorteile für zukünftige elektronische Bauteile: Anders als Graphen benötigt Indenen keine Abkühlung auf ultratiefe Temperaturen, um seine Eigenschaften als topologischer Isolator nutzbar zu machen. Zudem erlaubt das einfache Dreiecksgitters die Herstellung großer zusammenhängender Bereiche – eine Hürde, an der andere topologische Isolatoren bisweilen gescheitert sind.

"Wir waren schon verblüfft, dass eine so einfache Atomstruktur topologische Eigenschaften zeigen kann. Dies ist ein wesentlicher Vorteil für die Erzeugung perfekter Indenen-Filme, wie man sie zur Nanoproduktion elektronischer Bauteile benötigt. Hinzu kommt, dass uns die Verwendung von Siliziumkarbid als Trägermaterial eine direkte Anknüpfung an bewährte Halbleitertechnologien erlaubt", bewertet Ralph Claessen das Forschungsergebnis.

Ausblick

Die einfache Struktur von Indenen ist gleichzeitig sein Problem: Sobald die einzelne Indium-Atomlage mit Luft in Kontakt kommt, verliert das Material seine außergewöhnlichen Eigenschaften. Daher entwickeln die Forscher derzeit geeignete Schutzschichten, um das Indenen vor Verunreinigungen im Produktionsprozess zu schützen. Sobald diese technologische Herausforderung gelöst ist, steht der Nutzung dieses vielversprechenden topologischen Quantenmaterials nichts mehr im Weg.

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