Neue Studie identifiziert Treiber wissenschaftlicher Forschungsproduktivität
Steigende Komplexität, Kurzfristigkeitsfallen und der Rückgang öffentlicher Fördermittel bedrohen wissenschaftliche Forschungsproduktivität
- Komplexität: Wissenschaft ist komplexer geworden. Die Komplexität entsteht dabei durch den zunehmenden Bedarf an spezialisierten Fähigkeiten, der größere Teams erfordert, die Schwierigkeit, mit den neuesten Forschungsergebnissen Schritt zu halten, den zunehmenden Verwaltungsaufwand und die natürlichen Grenzen der Innovationsentwicklung. Diese Faktoren können die Produktivität der Forschung bremsen.
- Kurzfristigkeitsfallen (short-termism): Der Druck, in kürzerer Zeit Ergebnisse zu erzielen oder zu publizieren, kann zu Lasten der Forschungsqualität und der Grundlagenforschung gehen, die wiederum den Fokus auf neue, unerforschte Bereiche reduziert.
- Kollaboration: Interne und externe Zusammenarbeit sind signifikante Treiber der Forschungsproduktivität. Diversität wird als wichtig angesehen.
- Öffentliche Fördermittel: Regierungsunterstützung wird im Allgemeinen als förderlich angesehen, jedoch könnte die Finanzierung hinsichtlich der Forschungsschwerpunkte (experimentelle, angewandte und Grundlagenforschung) ausgewogener sein. Das öffentliche Finanzierungsniveau beim Anteil an der Gesamtfinanzierung ist in den untersuchten Ländern zwischen 2000 und 2018 zurückgegangen.
“Wissenschaftliche Forschung ist ein wesentlicher Motor für wirtschaftliches Wachstum und menschlichen Fortschritt, da sie die Grundlage für Innovationen schafft. Daher haben uns die Hinweise einiger angesehener Wirtschaftswissenschaftler beunruhigt, dass die Forschungsproduktivität in einer Reihe von Ländern zurückgegangen sei. Wir haben uns deshalb dazu entschlossen, zu untersuchen, ob dies zutrifft und wenn ja, warum. Diese Studie leistet einen wichtigen Beitrag zur Identifizierung der Faktoren, die die Forschungsproduktivität fördern und hemmen, und gibt uns damit die Möglichkeit, ein Forschungsumfeld zu gestalten, das sich langfristig positiv auf den gesellschaftlichen Fortschritt auswirkt”, sagte Laura Matz, Chief Science and Technology Officer von Merck.
Im Auftrag von Merck führte der Spezialist für globale Prognosen und quantitative Analysen, Oxford Economics, Oxford, Großbritannien, die Studie durch, um herauszufinden, ob die Produktivität der wissenschaftlichen Forschung tatsächlich sinkt, und um die wichtigsten Triebkräfte für diesen Motor des Fortschritts zu erkunden. Den Anlass zu dieser These gaben eine Reihe von akademischen Untersuchungen, die auf einen langfristigen Abwärtstrend der wissenschaftlichen Forschungsproduktivität deuteten.
“Unsere Studie zeigt, dass die wissenschaftliche Gemeinschaft prüfen muss, wie die Produktivität der Forschung am besten gemessen werden kann", sagte Adrian Cooper, CEO von Oxford Economics. "Dies sollte langfristig eine effizientere Innovationsentwicklung unterstützen.“
Obwohl vielzitierte wirtschaftswissenschaftliche Arbeiten auf einen Rückgang der Forschungsproduktivität hindeuten, konnte die Studie keinen eindeutigen Trend ausmachen. Die Umfrageteilnehmer (u.a. aus den Branchen Industrie, Automotive, Healthcare, Hightech sowie aus nationalen Forschungseinrichtungen) gaben eine breite Palette von Messgrößen an, die zur Messung der Produktivität in ihrem Unternehmen verwendet werden, wobei es hierfür kein Standardmodell gibt. Von den verwendeten Metriken sind nur wenige durch öffentlich zugängliche Daten verfügbar, die häufigsten sind Patente (oder branchenspezifische Äquivalente, wie z.B. neue Wirkstoffe in der Pharmaforschung) und wissenschaftliche Publikationen.
Kurzfristigkeit: Publikationsdrang & kürzere Finanzierungszyklen belasten die Produktivität
73% der Befragten gaben an, dass der Druck, wissenschaftliche Ergebnisse zu erzielen oder Arbeiten zu veröffentlichen, in den letzten zehn Jahren zugenommen hat. 59% gaben gleichzeitig an, dass die Forschungsqualität leide. Drei Viertel (74%) stimmten zu, dass kürzere Finanzierungszyklen zu weniger Forschung in unerforschten Bereichen führen. In der Tat gaben 55% an, dass keine längeren Finanzierungszyklen zur Verfügung stünden, was die Forschungsproduktivität einschränke.
Komplexität: Spezialisierte Teams & Innovationsgrenzen fordern Tribut
85% der Teilnehmer an unserer Umfrage waren der Meinung, dass die wissenschaftliche Forschung in ihrem Bereich immer komplexer wird. Zudem fällt es 71% der Befragten schwer, auf dem neuesten Stand der Forschung in ihrem Bereich zu bleiben. Der zunehmende Bedarf an spezialisierten Fähigkeiten, der größere und komplexere Teams erfordert, wird von 36% der Befragten als eines der drei größten Hindernisse genannt. 34 % der Befragten sind der Ansicht, dass die Innovationsgrenzen aufgrund des vorhandenen Wissensbestands schwerer zu erreichen sind, was sich auf die Forschungsproduktivität auswirkt – eine Ansicht, die in der Literatur teilweise vertreten wird.
Kollaboration: Teamwork und Vielfalt steigern die Produktivität
Kollaboration wird ein hoher Stellenwert eingeräumt: 49% der Befragten gaben an, dass ein hohes Maß an interner Zusammenarbeit der wichtigste Faktor für die Forschungsproduktivität sei. Etwas mehr als ein Drittel der Befragten gaben an, dass ihre Organisationen in der Praxis in Bezug auf Alter, Geschlechtsidentität und Forschungsdisziplinen sehr divers seien, was sich laut einem Drittel der Teilnehmer positiv auf die Forschungsproduktivität auswirke. Auch fachliche Kollaboration über Outsourcing wird generell als positiv angesehen. 75% waren der Meinung, dass Outsourcing die Rentabilität der Forschungsinvestitionen steigere. Langfristig könnte es durch den Wissenstransfer jedoch zu einem potenziellen Verlust von technischem Wissen führen, das die Effizienz der internen Forschung verbessern würde.
Öffentliche Finanzierung: Ausgewogenheit ist das Maß der Dinge
Die staatliche Unterstützung wird in vielen Bereichen als angemessen angesehen: Die Mehrheit (69%) sieht in der derzeitigen staatlichen Unterstützung kein wesentliches Produktivitätshemmnis. Jedoch zeigt die statistische Analyse, dass der Anteil der staatlichen Finanzierung an der gesamten Forschungsfinanzierung zurückgegangen ist. Dies könnte ein Problem werden, da die meisten langfristigen Forschungsarbeiten durch staatliche Mittel unterstützt werden. Zudem haben sich staatliche Investitionen als stimulierenden Anreiz für Investitionen des Privatsektors erwiesen.
„Wir wollen diese Ergebnisse nun mit der wissenschaftlichen Community, dem Kreis von politischen Entscheidungsträgern und Stakeholdern sowie auch der breiteren Öffentlichkeit diskutieren und evaluieren, wie man langfristig die Produktivität der Forschung gezielt fördern kann", sagte Matz. „Es hat sich herausgestellt, dass Faktoren wie Kollaboration und ausreichend Freiraum förderlich für das Forschungsumfeld sind. Dabei müssen wir jedoch im Blick behalten, dass wissenschaftliche Prioritäten mit wirtschaftlichem Erfolg im Rahmen eines verantwortungsvollen Unternehmertums in Einklang gebracht wird“, erklärte Matz.