Neue Weichmacher-Generation aus nachwachsenden Rohstoffen

Verbundprojekt entwickelt Alternative als Teil der Kreislaufwirtschaft

16.12.2021 - Deutschland

Plastik ist heute weltweit ein selbstverständlicher Bestandteil des Alltags. Zu finden ist es unter anderem in Autoreifen, Lebensmittelverpackungen, Spielzeug und Infusionsschläuchen. Viele Kunststoffe enthalten Weichmacher – Studien zeigen jedoch, dass sie toxisch wirken, auch ist für ihre Herstellung klimaschädliches Erdöl nötig. In einem Verbund-Forschungsprojekt der Technischen Universität Hamburg, dem Chemieunternehmen BASF SE und der Universität Bielefeld ist es nun gelungen, nachwachsende Ausgangsstoffe für eine biobasierte Alternative zu nutzen. Leiter des Bielefelder Teilprojekts ist Professor Dr. Harald Gröger von der Arbeitsgruppe Industrielle Organische Chemie und Biotechnologie.

Projekt BioWeichmacher

Sie engagieren sich für biobasierte Weichmacher (v.l.): Dr. Christoph Wennemann (Projektträger Jülich), Dr. Rainer Otter (BASF), Prof. Dr. Andreas Liese (Technische Universität Hamburg), Dr. Axel Grimm (BASF), Prof. Dr. Harald Gröger (Universität Bielefeld), Dr. Angelika Lang-sch (BASF), Dr. Robert Hiessl (Technische Universität Hamburg), Dr. Joscha Kleber (Technische Universität Hamburg), Dr. Carmen Plass (Universität Bielefeld), nicht im Bild: Niklas Adebar (Universität Bielefeld).

Mit rund 600.000 Euro wurde das Projekt „BioWeichmacher“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Forschenden haben ihre Neuentwicklung jetzt in der Fachzeitschrift European Journal of Organic Chemistry vorgestellt. Das Journal führt den Artikel als herausragende Studie („Very Important Paper“).

Geschätzt wird Kunststoff für seine Eigenschaften: formbar, leicht und langlebig. Erst durch diese wird es so vielseitig einsetzbar. Formbar werden Kunststoffe beispielsweise durch Weichmacher – Stoffe, die zugesetzt werden und dadurch die Eigenschaften des Kunststoffs verändern. Ohne Weichmacher wäre es oftmals ein Granulat und damit fest und unnachgiebig.

In der Industrie werden verschiedene Stoffe verwendet, die diese Eigenschaft besitzen. Eine besondere Gruppe von Weichmachern, mit denen sich die Forschenden beschäftigt haben, sind die Phthalate. „Sie zählen zu den am häufigsten verwendeten Weichmacher in der Industrie“, sagt Professor Dr. Harald Gröger, Leiter der Forschungskooperation. „Weltweit werden jährlich über neun Millionen Tonnen Weichmacher produziert, wobei Phthalate mehr als die Hälfte des Herstellvolumens ausmachen.“

Erdöl ist die Grundlage für die verbreiteten Weichmacher aus Phthalaten

Die Produktion führt allerdings zu Umweltbelastungen. „Phthalate werden auf der Basis von Erdöl hergestellt. Diese Ressource verursacht eine ungünstige CO2-Bilanz und ist begrenzt, sodass wir Alternativen finden müssen“, sagt der Wissenschaftler. „Mit Blick auf die Nachhaltigkeit würde ein auf nachwachsenden Rohstoffen basierender Weichmacher dagegen eine CO2-neutrale Lösung darstellen und zu einer zirkulären Kreislaufwirtschaft beitragen.“ Zusätzlich stellen einige Weichmacher auf Phthalat-Basis ein Gesundheitsrisiko dar. „Es ist bekannt, dass bestimmte Phthalate den Hormonhaushalt des Menschen beeinflussen und beispielsweise während der Schwangerschaft die Entwicklung der Kinder schädigen können. Deswegen wurde der Einsatz bestimmter Vertreter dieser Stoffklasse in der EU reguliert“, sagt Gröger.

Alternativer Weichmacher basiert auf nachwachsenden Rohstoffen

Die Wissenschaftler forschen an einer neuen Generation von Weichmachern. „Statt Erdöl nutzen wir erneuerbare Rohstoffquellen. So können Zucker aus Abfallströmen aus der Lebensmittelproduktion wie beispielsweise Kleie eingesetzt werden oder Zucker aus Holz, also Cellulose“, sagt der Chemiker. Dadurch können die Forschenden das Prinzip der Kreislaufwirtschaft erfüllen. Zudem sollen solche neuartigen biobasierten Weichmacher toxikologisch unbedenklich sein.

„Die neue Generation der Weichmacher herzustellen, ist allerdings eine enorme Herausforderung, weil sie einem anspruchsvollen Anforderungsprofil gerecht werden muss“, sagt Gröger. „Die konventionellen Weichmacher wurden über viele Jahrzehnte optimiert und besitzen hervorragende technische Performance-Eigenschaften.“ Die biobasierten Alternativen müssen nun zusätzlich zu den Ansprüchen an eine nachwachsende Rohstoffbasis auch den bestehenden Anforderungen in der Produktion und Anwendung gerecht werden: leicht herstellbar, günstig und mit chemisch vergleichbaren Eigenschaften ausgestattet. „Das betrifft zum Beispiel, wie sich unsere Weichmacher auf die Konsistenz und die Haltbarkeit des Kunststoffes auswirken.“

Der neue Weichmacher ist den konventionellen Weichmachern vielfach ebenbürtig

Die Herstellung des neuen Weichmachers ist komplex: „Wir haben zunächst auf Basis von erneuerbaren Rohstoffen Moleküle hergestellt, die als alternative Weichmacher in Frage kommen. Diese neuen Moleküle haben wir charakterisiert – also neben ihrem molekularen Aufbau ihre Eigenschaften ermittelt“, sagt der Wissenschaftler. An diesem Schritt waren unter anderem Chemiker, Anwendungstechniker und Toxikologen beteiligt. In einem zweiten Schritt wurden nach der erfolgreichen Synthese und Musterherstellung die neuen Weichmacher in der Anwendung auf ihre Eigenschaften hin getestet. „In den Anwendungstests konnten wir sehen, dass sie es schon heute in vielen Bereichen mit den bisherigen Weichmachern aufnehmen können“, so Gröger. „Damit verfügen wir nun über eine Leitstruktur – also einen Grundbaustein für neuartige Weichmacher, der biobasiert ist und einen Großteil der technischen Anforderungen erfüllt. Langfristig ist das eine hervorragende Perspektive, um in Zukunft marktfähige biobasierte Weichmacher zu entwickeln.“

Begonnen hat das Forschungsprojekt 2017 als Teil des Ideenwettbewerbs „Neue Produkte für die Bioökonomie“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Als neue Produktidee für eine biobasierte Wirtschaft wurde die technische Umsetzung in der Sondierungsphase ausgearbeitet. 2018 ging das Projekt in die Machbarkeitsphase – die aktuelle Veröffentlichung ist ein Forschungsergebnis des Verbundprojekts.

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