Neutronen erkennen Verstopfungen in Pipelines

Neue, Neutronen-basierte Methode hilft, Unterwasserpipelines offen zu halten

25.01.2022 - Deutschland

Industrie und private Verbraucher sind auf Öl- und Gaspipelines angewiesen, die sich über Tausende von Kilometern unter Wasser erstrecken. Nicht selten verstopfen Ablagerungen diese Pipelines. Bisher gibt es nur wenige Möglichkeiten, die Bildung von Pfropfen in-situ und zerstörungsfrei zu identifizieren. Neutronen können das erheblich erleichtern, wie Messungen an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der Technischen Universität München (TUM) zeigen.

Dr. Sophie Bouat / Science-S.A.V.E.D. / TUM

Zeljko Ilic justiert ein Segment für eines der Neutronenexperimente am Instrument FANGAS in der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II).

Öl- und Gaspipelines sind die Schlagadern unserer Energieversorgung. Wie die Nord Stream-Pipelines transportieren sie die Energieträger über weite Strecken unter Wasser zu Lager- und Produktionsstätten an Land.

Aber nicht nur Lieferengpässe können zu Versorgungsproblemen führen. Unter bestimmten Bedingungen kann das Gemisch in den Pipelines, das typischerweise aus Gas, Öl und Wasser besteht, sehr zähflüssig werden und sogar feste Phasen bilden.

Besonders unangenehm für Betreiber sind feste Hydrate, die sich aus Gas und Wasser bilden, etwa, wenn sich das Gemisch bei längerem Stillstand der Pipeline auf die niedrigen Temperaturen des Meeresbodens abkühlt.

Bisherige Ansätze funktionieren unter Wasser nicht

Um eine Verstopfung vor Ort zu beheben, muss zunächst der betroffene Abschnitt der Pipeline gefunden werden. Da sie sich überall entlang der Pipeline gebildet haben kann, ist es eine große Herausforderung, die Verstopfung von außen zu lokalisieren.

Bisher werden Wärmebildkameras und Gammastrahlen verwendet, um die Verstopfungen zu erkennen. Keine dieser Methoden funktioniert jedoch unter Wasser. Ultraschall hingegen dringt problemlos in Wasser ein, allerdings sind durch die Pipelinewand die Hydratblöcke nur im Nahbereich von außen zu erkennen.

Da Unterwasserpipelines in Tiefen von bis zu 2000 Metern verlegt werden und oft natürlicherweise von Meeresbodenmaterialien wie Sand oder Schlick bedeckt sind, wirft dies weitere praktische Schwierigkeiten auf. Hinzu kommt, dass sich die akustischen Impedanzen der Hydratphase und anderen Phasen des Rohölgemischs kaum unterscheiden.

Neutronen als perfekte Sonde

TechnipFMC, ein auf Unterwasserpipelines spezialisiertes Unternehmen mit weltweit rund 20.000 Mitarbeitern, war „auf der Suche nach einer effizienteren Methode, um trotz dicker Wände solche Pfropfen berührungslos, zerstörungsfrei und zuverlässig aufspüren zu können“, sagt Dr. Xavier Sebastian, ein Projektleiter des Unternehmens.

„Neutronen sind die perfekte Sonde für die anstehende Aufgabe“, schlug Dr. Sophie Bouat, CEO von Science-S.A.V.E.D. (Scientific Analysis Vitalises Enterprise Development) daraufhin vor und stellte den Kontakt zu den Wissenschaftlern des Heinz Maier-Leibnitz-Zentrums in Garching bei München her.

„Mit der Prompten Gamma-Neutronen-Aktivierungsanalyse lassen sich insbesondere leichte Atome und Wasserstoff sehr genau nachweisen“, fährt sie fort. Da sich Hydrate sowie Öl und Gas in ihrem Wasserstoffgehalt erheblich unterscheiden, sollte es möglich sein, Verstopfungen durch Messung der Wasserstoffkonzentration zu erkennen.

Machbarkeitsstudie am FRM II

Dr. Ralph Gilles, Industriekoordinator an der Forschungs-Neutronenquelle FRM II führte zusammen mit weiteren Kollegen der Technischen Universität München und des Forschungszentrums Jülich eine Machbarkeitsstudie zu diesem Thema durch.

Mit dem Instrument PGAA (Prompt Gamma Activation Analysis), das kalte Neutronen des FRM II nutzt, durchleuchtete das Forschungsteam Proben und konnte belegen, dass auf diese Weise tatsächlich zwischen Öl und Gas beziehungsweise dem Pfropf unterschieden werden kann.

An der Radiographie- und Tomographieanlage NECTAR und dem Instrument FaNGAS (Fast Neutron Induced Gamma Ray Spectroscopy) zeigten sie mit Hilfe schneller Neutronen aus dem FRM II, dass eine ausreichend große Anzahl von Neutronen die Metallwände der Pipeline durchdringen, um die jeweilige Messung zu ermöglichen, und dass die Messung auch unter Wasser gut funktioniert.

Eine kleine Neutronenquelle erkennt Pfropfen

Die Ergebnisse zeigen klar, dass Neutronen für diese Anwendung ideal geeignet sind. „Unsere Experimente haben außerdem gezeigt, dass wir sogar einen in Entstehung befindlichen Pfropf von einer voll entwickelten Blockade unterscheiden können“, sagt Dr. Ralph Gilles. „Das ist sehr vorteilhaft, denn dann kann man sogar ein Rohrsegment präventiv erhitzen, um die Verstopfung wegzuschmelzen, bevor sie sich vollständig ausbildet.“

In der Praxis bewegt sich ein mobiler Detektor mit einer kleinen Neutronenquelle entlang der Pipeline hin und her, um nach Pfropfen zu suchen. „Wir freuen uns sehr, dass wir mit Hilfe der Messungen an der Forschungs-Neutronenquelle nun eine effiziente Methode gefunden haben, die in Zukunft das Auffinden dieser Pfropfen deutlich erleichtert“, sagt Dr. Xavier Sebastian.

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