Überraschende Turbulenz: HZDR-Team stößt auf unerwartetes Strömungsverhalten bei Flüssigmetallen

Rückschlüsse für Batterietechnik

24.05.2022 - Deutschland

Dass Metalle flüssig sein können, ist vor allem vom Quecksilber bekannt. Doch auch im Erdkern gibt es große Mengen an Flüssigmetall: Dort ist ein Teil des Eisens geschmolzen und kann auf komplexe Weise strömen. Ein Team am HZDR hat einen ähnlichen Prozess nun im Labor simuliert und ist auf eine überraschende Erkenntnis gestoßen: Unter bestimmten Umständen ist die Strömung von flüssigem Metall wesentlich turbulenter als erwartet – mit deutlichen Auswirkungen auf den Wärmetransport, wie die Arbeitsgruppe im Fachjournal Physical Review Letters berichtet. Diese neue Erkenntnis fanden die Herausgeber so bemerkenswert, dass sie den Beitrag als „Editor’s Suggestion“ hervorgehoben haben.

A. Wirsig / HZDR

Team-Mitglieder Dr. Till Zürner und Felix Schindler (v.l.) an einer Anlage zur Untersuchung des Strömungsverhaltens bei Flüssigmetallen.

Tief im Inneren der Erde herrschen derart hohe Temperaturen, dass ein Teil ihres Eisenkerns flüssig ist. Dieses flüssige Eisen ist ständig in Bewegung, wird laufend gedreht und umgewälzt. Dadurch wirkt es als Dynamo und verleiht unserem Planeten ein Magnetfeld. Eine Triebfeder für das komplexe Strömungsverhalten des Eisens ist die Erdrotation, eine andere die sogenannte Konvektion, getrieben durch Temperaturunterschiede: Ähnlich wie über einem Heizkörper warme Luft nach oben steigt und dort die kältere Luft verdrängt, fließt relativ heißes Eisen im Inneren der Erde in kühlere Bereiche und sorgt dadurch für einen Wärmetransport. Doch wie sich diese Prozesse im Detail abspielen, ist nach wie vor unbekannt. Um sie besser zu verstehen, ist die Fachwelt auf theoretische Berechnungen und Computersimulationen angewiesen, aber auch auf Experimente, die das Geschehen zumindest ansatzweise im Labormaßstab simulieren.

Eines dieser Experimente fand jüngst am HZDR-Institut für Fluiddynamik statt. „Wir haben zwei zylindrische Gefäße genommen, ein relativ kleines in der Größe ungefähr eines Wassereimers und eines von der Gestalt eines Fasses mit einem Volumen von 60 Litern“, erläutert Projektleiter Dr. Tobias Vogt. „Diese Gefäße haben wir mit einer metallischen Legierung aus Indium, Gallium und Zinn gefüllt, die bereits bei Raumtemperatur flüssig ist.“ Den Boden der Gefäße heizten die Fachleute, den Deckel dagegen kühlten sie, sodass zwischen unten und oben eine Temperaturdifferenz von bis zu 50 Grad Celsius entstand.

Tiefenblick per Ultraschall

Dieser beträchtliche Temperaturunterschied brachte das flüssige Metall im Inneren gehörig in Wallung: Getrieben durch die Konvektion stiegen lokal wärmere Strömungsbereiche wie Säulen auf und durchmischten sich – ähnlich wie in einer Lavalampe – mit dem kälteren Rest. Allerdings ist die verwendete Metalllegierung undurchsichtig, weshalb das Team zu einer speziellen Analysetechnik greifen musste: „Es ist eine Ultraschall-Methode, wie man sie aus der Medizin kennt“, erklärt HZDR-Abteilungsleiter Dr. Sven Eckert. „Wir haben rund 20 Ultraschall-Sensoren an den Gefäßen installiert, die erfassen können, wie das flüssige Metall im Inneren strömt.“

Als die Arbeitsgruppe die Daten analysierte, stieß sie auf eine Überraschung. Eigentlich hatten die Fachleute damit gerechnet, dass sich bei den Versuchen stets einzelne Strömungsbereiche zu einer übergeordneten, ausgedehnteren Struktur zusammentun, großskalige Zirkulation genannt. „Das ist mit einem thermischen Wind vergleichbar, der die Wärme sehr effektiv zwischen Deckel und Boden transportieren kann“, berichtet Vogt. „Diesen thermischen Wind konnten wir im kleineren Gefäß auch tatsächlich beobachten – doch beim größeren Gefäß, dem Fass, brach der Wind bei großen Temperaturunterschieden nahezu komplett zusammen.“ Dadurch wurde die Wärme nicht so effektiv transportiert, wie es eigentlich zu erwarten wäre. „Die Ursache sehen wir darin, dass sich statt einigen großen Wirbeln eine deutlich kleinskaligere Turbulenz ausbildet und dadurch der Wärmetransport weniger effektiv wird“, sagt Vogt.

Rückschlüsse für Batterietechnik

Die neuen Erkenntnisse könnten Konsequenzen für die Prozesse im Erdinneren haben: „Um dieses Geschehen zu verstehen, versucht die Fachwelt die Resultate von Laborexperimenten auf die Größe der Erde zu extrapolieren“, erläutert Sven Eckert. „Doch wir haben jetzt gezeigt, dass die Wärme unter bestimmten Bedingungen weniger gut transportiert wird als es frühere Versuche nahegelegt hatten.“ Damit dürften auch bei der Vorhersage für die Erde andere Werte herauskommen. „Allerdings sind die realen Prozesse im Erdkern um ein Vielfaches komplexer als in unseren Laborexperimenten“, schränkt Tobias Vogt ein. „So wird die Strömung des flüssigen Eisens auch durch das Erdmagnetfeld und die Erdrotation beeinflusst – letztlich ist unser Wissen über diese Strömung noch ziemlich gering.“

Doch auch für die Technik könnten die neuen Erkenntnisse relevant sein – und zwar dort, wo mit flüssigen Metallen gearbeitet wird. So funktionieren manche Batterietypen mit Flüssigmetallen, künftige Solarkraftwerke oder Fusionsreaktoren könnten eines Tages damit gekühlt werden. Um den Wärmetransport in Flüssigmetallen noch detaillierter unter die Lupe nehmen zu können, tüftelt das HZDR-Team derzeit an einer erweiterten Analysetechnik. „Spezielle Induktions-Sensoren sollen die Strömungen noch einmal deutlich detaillierter erfassen als bislang und regelrechte 3D-Bilder liefern“, beschreibt Sven Eckert. „Die ersten Messungen dazu sehen sehr vielversprechend aus.“

Originalveröffentlichung

Weitere News aus dem Ressort Wissenschaft

Meistgelesene News

Weitere News von unseren anderen Portalen

So nah, da werden
selbst Moleküle rot...