Bessere Supraleiter durch Palladium

Beginnt nun in der Supraleitungs-Forschung das Zeitalter der „Palladate“?

26.04.2023 - Österreich

Der goldene Mittelweg ist aus Palladium: Mit dem Edelmetall könnte man Supraleiter herstellen, die auch bei relativ hohen Temperaturen supraleitend bleiben, zeigen Rechnungen der TU Wien.

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Symbolbild

Es ist eines der spannendsten Rennen in der modernen Physik: Wie kann man die besten Supraleiter herstellen, die auch bei möglichst hohen Temperaturen und einigermaßen normalem Druck noch supraleitend bleiben? In den letzten Jahren hat mit der Entdeckung der Nickelate eine neue Ära der Supraleitung begonnen. Diese Supraleiter basieren auf Nickel, man spricht man daher auch vom Nickelzeitalter der Supraleitungs-Forschung. In vielen Aspekten ähneln die Nickelate den Cupraten, die auf Kupfer basieren und in den 1980er Jahren entdeckt wurden.

Doch nun kommt eine neue Materialklasse ins Spiel: In einer Kooperation der TU Wien mit Universitäten in Japan gelang es, das Verhalten verschiedener Materialien präziser als bisher am Computer zu simulieren Dabei stellte sich heraus: die Nickelate sind bei weitem nicht optimal. Es gibt eine „goldene Zone“, in der Supraleitung besonders gut funktioniert. Und diese Zone erreicht man weder mit Nickel noch mit Kupfer, sondern mit Palladium. Damit könnte in der Supraleitungs-Forschung das Zeitalter der „Palladate“ beginnen. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „Physical Review Letters“ publiziert.

Die Suche nach höheren Sprungtemperaturen

Bei hohen Temperaturen benehmen sich Supraleiter ganz ähnlich wie andere leitende Materialien. Aber wenn man sie unterhalb einer bestimmten kritischen Temperatur abkühlt, dann verändern sie sich ganz dramatisch: Ihr elektrischer Widerstand verschwindet, plötzlich können sie elektrischen Strom völlig ohne Verluste leiten. Als „Sprungtemperatur“ bezeichnet man diese Grenze, an der ein Material zwischen einem supraleitenden und einem normalleitenden Zustand wechselt.

„Wo diese Grenze verläuft, konnten wir nun bei einer ganzen Reihe von Materialien berechnen. Mit unseren Computermodellen konnten wir das Phasendiagramm der Nickelat-Supraleitung vorhersagen – und zwar mit hoher Genauigkeit, wie die Experimente dann später zeigten“, sagt Prof. Karsten Held vom Institut für Festkörperphysik der TU Wien.

Viele Materialien werden nur knapp über dem absoluten Nullpunkt (-273,15°C) supraleitend, andere behalten auch bei deutlich höheren Temperaturen noch ihre supraleitenden Eigenschaften. Ein Supraleiter, der auch bei normaler Raumtemperatur und normalem Atmosphärendruck immer noch supraleitend bleibt, würde die Art wie wir Strom erzeugen, transportieren und verbrauchen grundlegend revolutionieren. Ein solches Material hat man bisher allerdings noch nicht entdeckt. Trotzdem spielen Hochtemperatur-Supraleiter auch aus der Klasse der Cuprate in der Technik heute längst eine wichtige Rolle – etwa beim Übertragen großer Ströme oder bei der Herstellung extrem starker Magnetfelder.

Kupfer? Nickel? Oder lieber Palladium?

Die Suche nach möglichst guten supraleitenden Materialien ist schwierig: Es gibt viele verschiedene chemische Elemente, die dafür in Frage kommen. Man kann sie in unterschiedlichen Strukturen zusammenfügen, man kann winzige Spuren anderer Elemente hinzufügen, um die Supraleitung zu optimieren. „Um passende Kandidaten zu finden, muss man auf quantenphysikalischer Ebene verstehen, wie die Elektronen im Material miteinander wechselwirken“, sagt Prof. Karsten Held.
 
Dabei zeigte sich: Es gibt ein Optimum für die Wechselwirkungsstärke der Elektronen. Die Wechselwirkung muss stark, darf aber auch nicht zu stark sein. Es gibt einen goldenen Mittelweg, durch den sich die höchsten Sprungtemperaturen erzielen lassen.

Palladate als optimale Lösung

Dieser goldene Zwischenbereich der Wechselwirkung lässt sich weder mit Cupraten noch mit Nickelaten zu erreichen – man kann allerdings mit einer neuen Materialsorte ins Schwarze treffen: Mit sogenannten Palladaten. „Palladium ist im Periodensystem direkt eine Zeile unter dem Nickel. Die Eigenschaften sind ähnlich, aber die Elektronen sind dort im Durchschnitt etwas weiter vom Atomkern entfernt, die elektronische Wechselwirkung ist daher schwächer“, sagt Karsten Held.

Die Modellrechnungen zeigen, wie man bei Palladaten optimale Sprungtemperaturen erreichen kann. „Die Rechenergebnisse sind sehr vielversprechend“, sagt Karsten Held. „Wir hoffen, dass wir damit nun experimentelle Forschung anstoßen können. Wenn man mit Palladaten nun eine ganz neue, zusätzliche Materialklasse zur Verfügung hat um Supraleitung besser zu verstehen und noch bessere Supraleiter zu erzeugen, könnte das den gesamten Forschungsbereich nach vorne bringen.“

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