Vom Klimagas zum Rohstoff

DFG-Schwerpunkt zur grünen Chemie unter fluktuierenden Bedingungen

22.09.2023
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Symbolbild

Wäre das nicht eine elegante Lösung: Jenen Stoff, der am ärgsten dem Klima zusetzt und die Zukunft bedroht, als Rohstoff für Wirtschaftsgüter und Dinge des Alltags zu verwenden? Tatsächlich entstehen im Labor aus Kohlendioxid (CO2), einem unvermeidlichen Nebenprodukt der Zivilisation, bereits niedere Olefine, Alkohole und Treibstoffe und zwar im Verein mit Wasserstoff und anderen chemischen Reaktionspartnern, die sämtlich auf nachhaltigem Wege gewonnen werden können. Damit solche Prozesse industrielle Praxis werden, müssen sie unter „fluktuierenden“ Bedingungen laufen können. Ein DFG-Schwerpunktprogramm erkundet dafür die Grundlagen, das LIKAT ist daran beteiligt.

„Fluktuierend“ meint, dass diese Verfahren auch bei schwankender Zufuhr an Energie und Ausgangsstoffen funktionieren müssen. Das ist neu für die Chemie, doch nicht zu umgehen, wenn die Energie, etwa für die Gewinnung von Wasserstoff durch Elektrolyse, künftig aus regenerativen Quellen wie Sonne und Wind kommen soll. Diese stehen nicht kontinuierlich und in windstillen Nächten überhaupt nicht zur Verfügung.
Der Einfluss dynamischer Bedingungen auf chemische Reaktionen aber ist bisher kaum untersucht worden, wie Prof. Dr. Angelika Brückner und Prof. Dr. Evgenii Kondratenko am Rostocker Leibniz-Institut für Katalyse erläutern. Ihre Forschungsgruppe ist am DFG-Programm mit Arbeiten zur Entwicklung von Katalysatoren für die CO2-Hydrierung zu höheren Kohlenwasserstoffen unter fluktuierenden Bedingungen beteiligt.

Vom Klimagas zum Rohstoff

Im großen Ganzen geht es darum, Erdöl als Rohstoffbasis zu ersetzen und zugleich ein problematisches Abgas, das Kohlendioxid, zum Rohstoff zu adeln. Doch CO2 ist ein reaktionsträges Gas und reagiert kaum von allein. Um wirtschaftlich nutzbare Verbindungen, vor allem Grundstoffe für die chemische Synthese wertvoller Produkte, zu gewinnen, müssen die extrem stabilen Kohlenstoff-Sauerstoff-Bindungen im CO2 aktiviert werden. Dies geschieht katalytisch durch Hydrierung, d.h. es wird Wasserstoff zugesetzt, wodurch eine Vielfalt unterschiedlicher Kohlenwasserstoffverbindungen entstehen kann. Die sind um so höherwertiger, je mehr Kohlenstoffatome sie im Molekül enthalten.

Für das Verfahren modifizierten die am DFG-Programm beteiligten Chemiker die sog. Fischer-Tropsch-Synthese, die vor knapp hundert Jahren für die Hydrierung von Kohlenmonoxid (CO) entwickelt wurde. Dazu ersetzten sie das hochtoxische CO durch CO2.

Eisenkatalysator verändert sich

Welche Produkte nun bei der CO2-Hydrierung entstehen, darüber entscheiden ganz wesentlich Struktur und Beschaffenheit des Katalysators. Bei Angelika Brückner und Evgenii Kondratenko ist es ein Eisenkatalysator. Doch Eisen ist nicht gleich Eisen, sagen sie. Sie entdeckten, dass der Katalysator sich in der Reaktion unter fluktuierenden Bedingungen verändert: Er bilde zwischenzeitlich immer wieder neue „Phasen und Spezies“.
Um günstige und hinderliche Phasen präzise auseinanderzuhalten, beobachten die Forscher den Katalysator sozusagen bei seiner Arbeit. Das geschieht mit hochspezifischen operando-spektroskopischen Analysemethoden auf der Basis von Infrarot-, UV- und Laserlicht. Die Katalysatorproben entwickeln sie teils selbst, teils erhalten sie diese vom Forschungspartner an der Humboldt-Universität Berlin.

Katalytisch werde Eisen oft in Form von Oxiden verwendet, erläutert Prof. Kondratenko. „Doch damit erhalten wir vorzugsweise Methan.“ Mit der Summenformel CH4 ist Methan Hauptbestandteil im Erdgas und der einfachste Kohlenwasserstoff. „Wir sind jedoch auf höherwertige Kohlenwasserstoffe aus, aktuell z.B. auf Olefine.“ Das sind unverzichtbare Grundchemikalien, die sich chemisch gut weiter veredeln lassen.

Aktive katalytische Phase: Eisenkarbid

Die Rostocker entdeckten, dass für die CO2-Hydrierung vor allem eine Phase entscheidend ist, in der an der Katalysator-Oberfläche Eisenkarbid entsteht. Und sie lernten, wie sie diese Karbid-Phase stabilisieren und die störenden Phasen vermeiden können. Zum Beispiel in dem sie als Katalysatormaterial nicht das übliche Eisenoxid verwenden, sondern Eisenoxalat, ein Eisensalz der Oxalsäure (FeC2O4). Dazu veröffentlichte das Team jüngst zwei Artikel in den Magazinen CATALYSIS SCIENCE & TECHNOLOGY und JOURNAL OF CATALYSIS.

Eine dritte Veröffentlichung der Gruppe, und zwar in ACS CATALYSIS, berichtet über das Problem der nachlassenden Aktivität des Eisen-Katalysators. Als Ursache entdeckten die Rostocker Chemiker Zwischenprodukte, die sich unter bestimmten Umständen zu Koks umwandeln. Der lagert sich als zähe Schicht auf der Katalysator-Oberfläche ab und verdeckt die aktive Spezies.

Vision: CO2-Kreislaufwirtschaft

Das DFG-Schwerpunktprogramm 2080 „Katalysatoren und Reaktoren unter dynamischen Betriebsbedingungen für die Energiespeicherung und -wandlung“, in dem operando-Charakterisierungsmethoden entwickelt und angewendet, theoretische Berechnungen sowie kinetische Modellierung durchgeführt werden, läuft inzwischen in seiner zweiten Förderungsphase und wird bis 2025 allein für die Arbeiten am LIKAT mit 428.700 Euro gefördert. Projektkoordinator ist Professor Dr. Jan-Dierk Grunwaldt am Karlsruher Institut für Technologie.

Für künftige Anlagen wäre die Vision, das Kohlendioxid gleich an Ort und Stelle, wo es massenhaft anfällt, umzuwandeln und als Rohstoff zu nutzen, sagen Prof. Dr. Brückner und Prof. Dr. Kondratenko. Entsprechend den Prinzipien der grünen Chemie und der Kreislaufwirtschaft böte sich ein solches Verfahren vor allem im Umfeld der derzeit größten CO2-Verursacher an, etwa der Zementindustrie, der Eisen- und Stahlproduktion und auch der Chemieindustrie selbst, wo das CO2 mit „grünem“ Wasserstoff gleich zu wertvollen Kohlenwasserstoffen weiter verarbeitet werden kann.

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