Geheimnisse der festen Phase von Stickstoff entschlüsselt
Noch nie dagewesener Einblick in die allmähliche Umwandlung von Molekülen in Polymere und die Bildung von amorphem Stickstoff
Bei Umgebungsdruck und -temperatur ist Stickstoff gasförmig und liegt in Form eines N₂-Moleküls vor, das aus einer extrem starken Dreifachbindung besteht. Wenn molekularer, gasförmiger Stickstoff unter extremen Druck gesetzt wird, wird er zunächst flüssig und dann bei etwa 2,5 GPa (d. h. dem 25.000-fachen des atmosphärischen Drucks) zu einem Feststoff. Seit über einem Jahrhundert beschäftigen sich Wissenschaftler mit den festen Phasen von molekularem Stickstoff, da die Kenntnis der chemisch-physikalischen Mechanismen, die den Umwandlungen in Stickstoff zugrunde liegen, für die Festkörperwissenschaften von entscheidender Bedeutung ist.
Die Zeta-N₂-Phase des Stickstoffs, die zwischen 60 und 115 GPa existiert, ist ein entscheidendes Puzzlestück für das Verständnis des Übergangs von molekularem zu polymerem Stickstoff. Doch trotz zahlreicher Untersuchungen war ihre Kristallstruktur (d. h. die Anordnung der Stickstoffmoleküle) bisher unbekannt - und der Weg zur Entschlüsselung des seltsamen Verhaltens von Stickstoff. Dem Forscherteam unter der Leitung von Dominique Laniel (Universität Edinburgh) sowie Natalia Dubrovinskaia und Leonid Dubrovinsky (Universität Bayreuth) gelang es mit einer in Bayreuth neu entwickelten experimentellen Technik, die Kristallstruktur von Zeta-N₂ zu bestimmen. Die Forscher pressten molekularen Stickstoff in Diamant-Ambosszellen auf extreme Drücke zwischen 60 und 85 GPa, wie sie im Erdmantel herrschen. Durch Lasererwärmung auf bis zu 2.000 Grad Celsius gelang es ihnen, hochwertige Submikrometer-Körner von Zeta-N₂ zu rekristallisieren. Ihre Kristallstruktur wurde mit Hilfe der Synchrotron-Einzelkristall-Röntgenbeugung gelöst und verfeinert. Aus diesen experimentellen Ergebnissen gewannen Theoretiker an der Universität Linköping (Schweden) weitere Erkenntnisse über den einzigartigen Polymerisationsprozess von Stickstoff.
Die Auswirkungen dieser Forschung gehen über Kenntnisse von Stickstoff selbst hinaus und ermöglichen ein tieferes Verständnis der molekularen Umwandlungen unter extremen Bedingungen. Die Ergebnisse ebnen den Weg für Fortschritte in den Festkörperwissenschaften, der Materialwissenschaft und der Hochdruckphysik. Die Forscher verbessern damit die Methoden zur Untersuchung der Eigenschaften von Funktionsmaterialien, die in der Elektronik, bei Computerchips, Halbleitern, Solarzellen, Batterien, Beleuchtung, Metallen oder Isolatoren verwendet werden.
Originalveröffentlichung
Dominique Laniel, Florian Trybel, Andrey Aslandukov, James Spender, Umbertoluca Ranieri, Timofey Fedotenko, Konstantin Glazyrin, Eleanor Lawrence Bright, Stella Chariton, Vitali B. Prakapenka, Igor A. Abrikosov, Leonid Dubrovinsky, Natalia Dubrovinskaia; "Title: Structure determination of ζ-N2 from single-crystal X-ray diffraction and theoretical suggestion for the formation of amorphous nitrogen"; Nature Communications, Volume 14, 2023-10-5
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