Neue Tür zum Verständnis der Katalyse bei der Ammoniakproduktion geöffnet

Forschungsteam untersucht Reaktionsmechanismus für katalytische Ammoniakproduktion an PETRA III

26.01.2024
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Symbolbild

Einem Forschungsteam der Universität Stockholm ist es in Zusammenarbeit mit DESY und der Montanuniversität Leoben in Österreich erstmals gelungen, die Oberfläche von Eisen- und Rutheniumkatalysatoren bei der Bildung von Ammoniak aus Stickstoff und Wasserstoff zu untersuchen; die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Wenn man genau weiß, wie diese Katalysatoren funktionieren, kann man vielleicht noch effizientere Materialien für den Prozess identifizieren. Das wiederum könnte zu größerer Nachhaltigkeit in der derzeit sehr CO2-intensiven chemischen Industrie führen.

Ammoniak, das nach dem Haber-Bosch-Verfahren hergestellt wird, ist derzeit mit einer Jahresproduktion von 110 Millionen Tonnen eine der wichtigsten Grundchemikalien für die weltweite Düngemittelproduktion. Die Zeitschrift Nature bezeichnete 2001 das Haber-Bosch-Verfahren als die wichtigste wissenschaftliche Erfindung für die Menschheit im 20. Jahrhundert – dank seiner Hilfe konnte Hungersnot verhindert und rund vier Milliarden Menschen das Leben gerettet werden. Eine Schätzung des Stickstoffgehalts in der DNA und den Proteinen unseres Körpers zeigt, dass die Hälfte der Atome aus dem Haber-Bosch-Verfahren stammt. 

„Trotz dreier Nobelpreise in den Jahren 1918, 1931 und 2007 für das Haber-Bosch-Verfahren war es bisher nicht möglich, die Katalysatoroberfläche mit oberflächensensitiven Methoden während der Ammoniakproduktion experimentell zu untersuchen; es gab einfach keine experimentellen Techniken mit Oberflächenempfindlichkeit bei ausreichend hohem Druck und Temperaturen. Folglich konnte man die verschiedenen Hypothesen über den Zustand des Eisenkatalysators nicht verifizieren – ist er metallisch oder in einem Nitrid? Was sind die für den Reaktionsmechanismus wichtigen Zwischenspezies?“, sagt Anders Nilsson, Professor für chemische Physik an der Universität Stockholm.  

„Diese Studie wurde erst dadurch möglich, dass wir in Stockholm ein Photoelektronenspektrometer gebaut haben, das Katalysatoroberflächen unter hohem Druck untersuchen kann. Dadurch konnten wir beobachten, was passiert, wenn die Reaktion direkt abläuft", sagt David Degerman, Postdoc in Chemischer Physik an der Universität Stockholm. „Mit unserem neuen Instrument haben wir eine neue Tür zum Verständnis der Katalyse der Ammoniakproduktion geöffnet, denn wir können nun Reaktionszwischenprodukte nachweisen und den Reaktionsmechanismus belegen.“

„Das innovative Spektroskopie-Instrument der Universität Stockholm in Kombination mit den Strahlparametern von PETRA III ermöglicht nun in-operando-Experimente an Katalysatoren bei zehnmal höheren Drücken als an anderen Synchrotronlichtquellen“, sagt Christoph Schlueter (DESY), Leiter der Strahlführung P22. „Entscheidend für die Durchführung der Studie war es, das Instrument zu einer der hellsten Röntgenquellen der Welt, PETRA III bei DESY in Hamburg zu bringen“, sagt Patrick Lömker, Forscher an der Universität Stockholm. „Jetzt ahnen wir, was in der Zukunft mit noch intensiveren Lichtquellen möglich sein wird – zum Beispiel, wenn der Beschleuniger zu PETRA IV aufgerüstet wird.“

„Die herausfordernden Messungen klären nun endlich wichtige offene Fragen zu den aktiven Spezies bei der Ammoniaksynthese“, sagt Christoph Schlueter. Das Forschungsteam hat bei den Untersuchungen festgestellt, dass die Katalysatoroberfläche keine Nitride bildet, sondern unter allen Bedingungen, in denen Ammoniak produziert wird, metallisch bleibt. Die Oberfläche von Ruthenium - ein aktiverer Katalysator als Eisen, aber viel teurer - bleibt völlig frei von Stickstoffspezies, was seine Aktivität einschränkt. Der erste dissoziative Schritt, bei dem die Stickstoffmoleküle vollständig abgebaut werden, bestimmt die Geschwindigkeit der Gesamtreaktion. Bei höheren Temperaturen verhält sich Eisen ähnlich wie Ruthenium, aber auch hier wird die Reaktionsgeschwindigkeit teilweise durch den Prozess der Anlagerung von Wasserstoffatomen an die Stickstoffspezies gesteuert. Bei niedrigeren Temperaturen nimmt die Gesamtrate ab, und der begrenzende Reaktionsschritt ist vollständig mit diesem Hydrierungsprozess verbunden.

„Wir haben jetzt die Mittel, um neue Katalysatormaterialien für die Ammoniakproduktion zu erforschen, die sich besser mit dem durch Elektrolyse erzeugten Wasserstoff für den grünen Wandel in der chemischen Industrie kombinieren lassen“, sagt Anders Nilsson.

„Es ist inspirierend, an einem Thema zu forschen, das so eng mit einer wissenschaftlichen Erfolgsgeschichte verknüpft ist, die der Menschheit enorm geholfen hat. Ich freue mich darauf, die Forschung fortzusetzen, um neue Katalysatoren zu finden, die unsere Abhängigkeit von fossilen Quellen verringern können. Allein die chemische Industrie ist für acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich“, sagt Bernadette Davies, Doktorandin in Materialchemie an der Universität Stockholm.

„Die langfristige Aussicht, Ammoniak mit Elektrokatalysatoren zu erzeugen, die direkt durch Sonnen- oder Windenergie angetrieben werden, ist sehr verlockend. Jetzt haben wir Werkzeuge, um diese Entwicklung wissenschaftlich zu unterstützen“, sagt Sergey Koroidov, Forscher an der Universität Stockholm.

Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit DESY in Hamburg und der Montanuniversität in Österreich durchgeführt. An der Studie sind auch die ehemaligen Mitarbeiter der Universität Stockholm, Christopher Goodwin, Peter Amann, Mikhail Shiplin, Jette Mathiesen und Gabriel Rodrigues beteiligt.

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