Stark erhöhte Oxidationspotentiale durch angepasste Lösungsmittel

Wissenschaftler*innen ist es gelungen, das Oxidationspotential klassischer Reagenzien erheblich zu erhöhen.

16.08.2024

NO+ gelöst in verschiedenen Fluorbenzolen. Je mehr Wasserstoff-Atome durch Fluor-Atome ersetzt sind, desto geringer die Interaktion der Kationen mit den Elektronen und desto weniger gefärbt die Lösung. Foto und Grafik: Dr. Malte Sellin

Dr. Malte Sellin

NO+ gelöst in verschiedenen Fluorbenzolen. Je mehr Wasserstoff-Atome durch Fluor-Atome ersetzt sind, desto geringer die Interaktion der Kationen mit den Elektronen und desto weniger gefärbt die Lösung.

Ein Team von Wissenschaftler*innen um Prof. Dr. Ingo Krossing, Professor für Molekül- und Koordinationschemie am Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Universität Freiburg, ist es gelungen, das Oxidationspotential von Ag+ und NO+ Kationen deutlich zu erhöhen. Während in konventionellen Lösungsmitteln und Anionen die Potentiale dieser Kationen bis zu +0.65 / +1.0 V vs. Fc+/0 betragen, präsentierten die Wissenschaftler*innen Potentiale von bis zu +1.50 / +1.52 V vs. Fc+/0. Dies gelingt durch die Verwendung von besonders schwach interagierenden Lösungsmitteln und Anionen. Dabei setzt die Arbeitsgruppe einen Fokus auf strategisch und polaritätsmaximierend substituierte fluorierte Benzolderivate. Mit diesem neuen Ansatz sind zukünftig Redox-Reaktionen auch mit schwer zu oxidierenden Systemen oder vollkommen neue Anwendungen im Bereich der Elektrokatalyse oder Redox-Shuttles/-Mediatoren möglich. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler*innen im Journal Nature Communications.

Je schwächer die Wechselwirkung mit dem Kation, desto stärker das Oxidationspotential

Die Ag+ und NO+ Kationen sind weit verbreitete Oxidationsmittel in der Chemie und der Material­forschung. Mit den richtigen Bedingungen können sie selektiv Elektronen von Substraten entfernen. Da diese Kationen sehr klein sind und eine hohe Ladungsdichte haben, interagieren sie stark mit ihrer Umgebung. Eben diese starke Interaktion mit der Umgebung, zum Beispiel dem Anion oder dem Lösungsmittel, führt dazu, dass das Oxidationspotential dieser Kationen auch stark herabgesetzt ist. Um die Oxidationskraft der gelösten Kationen zu maximieren, haben die Wissenschaftler*innen besonders schwach koordinierende Anionen (WCA, „weakly coordinating anions“) und Lösungsmittel verwendet.

Als Lösungsmittel griff die Arbeitsgruppe auf fluorierte Benzolderivate zurück. Um die Eigenschaften dieser Molekülklasse zu verstehen, unterstützte Dr. Johannes Hunger vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung die Forschung und ermittelte die als Lösungsmitteleigenschaft sehr wichtigen Werte der dielektrischen Konstante. Hier zeigte sich, dass besonders die zweifach- bis vierfach fluorierten Aromaten in diesem Aspekt höhere Werte aufweisen als konventionelle Lösungsmittel wie Dichlormethan oder Aceton.

Während Benzol selbst oder einfach fluoriertes Benzol noch stark mit den Ag+ und NO+ Kationen interagiert, nimmt die Wechselwirkung mit jedem weiteren Fluoratom ab. „Neben den elektrochemischen Messungen haben wir durch Einkristall-Röntgenbeugung die Festkörperstrukturen von Verbindungen aus den Lösungsmitteln und den Kationen ermittelt und konnten auch hier die geringere Interaktion bei steigendem Fluorierungsgrad zeigen.“, erklärt Ko-Autor Dr. Malte Sellin.

„Diese nahezu ungestörten Teilchen und ihr hohes Oxidationspotential ermöglichen uns bisher nicht erreichbare Reaktionen,“ sagt Krossing. „Hierdurch ist eine Vielzahl neuer grundlegender chemischer Untersuchungen und potentiell auch völlig neuer Anwendungen möglich. Wir werden in Zukunft noch besser verstehen, wie sich Moleküle im oxidierten Zustand verhalten – einfach weil wir sie jetzt auch herstellen und untersuchen können.“

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