Weltgrößte Datenbank für die Präparation von Materialien und Werkstoffen entsteht

23.07.2010 - Deutschland

Materialien müssen heute vielfältige Anforderungen erfüllen: Keramiken sollen hitzebeständig sein oder Kunststoffe den Strom leiten. In den Laboren werden dafür neue Werkstoffe entwickelt, deren Qualität die Hersteller überwachen müssen. Dies stellt ihre Prüflabore vor große Herausforderungen, da man die Materialproben vor der Analyse erst aufwändig behandeln muss. Detaillierte Anleitungen für diese so genannte Präparation von Werkstoffen kann man jetzt in der weltweit größten Datenbank „Petzidat“ finden, die Firmen kostenlos nutzen und ergänzen können. Sie wurde von Materialforschern um Professor Frank Mücklich an Saar-Uni und dem Steinbeis-Zentrum für Werkstofftechnik (MECS) entwickelt.

„Materialforscher können heute in das Innere von Werkstoffen blicken und die Eigenschaften eines Materials genau analysieren“, sagt Frank Mücklich. Sie interessierten sich dabei sowohl für die chemische Zusammensetzung des Werkstoffes als auch für seine innere Struktur. Diese wird in ihrer oft komplexen Geometrie nicht nur in winzigen Mikro- und Nanodimensionen, sondern bis zum einzelnen Atom hin untersucht. „Bevor jedoch diese innere Struktur eines Werkstoffes im Mikroskop sichtbar gemacht werden kann, müssen die Proben absolut störungsfrei präpariert werden“, erläutert der Materialforscher.

Zuerst wird dafür eine kleine Probe des Werkstücks sorgsam herausgetrennt. Diese wird mit Diamantpartikeln in präzise abgestufter Größe von wenigen tausendstel Millimetern geschliffen und poliert. „Diese Materialoberfläche ist im Mikroskop zunächst oft ziemlich kontrastlos. Im zweiten Schritt muss daher die innere Struktur sichtbar gemacht werden, damit man im Licht-, Elektronen- oder auch Rastersondenmikroskop die zum Teil komplexen geometrischen Anordnungen erkennen kann“, sagt Mücklich. Dafür werden die Materialien mit unterschiedlichen Zutaten wie etwa Schwefelsäure oder Kupfersulfat behandelt. Die Dosierung dieser Zutaten wird in einer genauen Anleitung, der so genannten Rezeptur, erfasst.

Die vielfältigen Rezepturen für das Präparieren von Werkstoffen hängen von verschiedenen Faktoren wie der chemischen Zusammensetzung des Werkstoffes und seiner Behandlung ab. Die Forscher mussten daher gemeinsam mit den Anwendern erst einmal Kriterien festlegen, um die Rezepturen sinnvoll in einer Datenbank zusammenzufassen. „In der Praxis findet man selten eine genau passende Rezeptur, sondern muss nach ähnlichen Mustern suchen, die dann zu der Struktur des Werkstoffes passen“, sagt Frank Mücklich. Sein Team holte sich dafür Unterstützung von den Saarbrücker Informatikforschern um Professor Gerhard Weikum, die auf die komplexe Suche in Datenbanken spezialisiert sind. Sie gewichteten die Rezepturen nach den werkstoffwissenschaftlichen Anforderungen und ihren chemischen Strukturen. Bereits im Jahr 1994 wurde von Günter Petzow, damals Direktor am Stuttgarter Max-Planck-Institut für Materialforschung, eine umfangreiche Sammlung solcher Rezepturen zusammengetragen und im so genannten „Ätzbuch“ dokumentiert, das inzwischen in 14 Sprachen übersetzt zum weltweiten Standardwerk geworden ist. Diese Dokumentation bildet die Basis für die neue Präparationsdatenbank Petzidat, die von renommierten Geräteherstellern unterstützt wird.

Wie sich aus diesem Grundlagenwerk eine Datenbank entwickelt hat, fasst Frank Mücklich in einem Bild zusammen: „Der Baum der Werkstoffvielfalt wächst ständig weiter. Es entstehen immer neue Äste und Zweige, an denen diese Rezepturen quasi die Blätter darstellen - allerdings sind alle unterschiedlich, zum Teil aber verwandt. Im ursprünglichen Ätzbuch war dies - um im Bild zu bleiben - noch ein kleiner Baum, dem manche große Äste komplett fehlten“, erklärt der Professor. Dazu zählen Halbleitermaterialien für moderne Photovoltaik-Anwendungen ebenso wie zum Beispiel supraleitende Keramiken. Darüber hinaus schlummern in den Materialographie-Laboren etwa der Automobil- und Elektroindustrie ein riesiger Erfahrungsschatz, der oft nur intern bekannt ist und lediglich in einer Firma angewendet wird.

„Dadurch geht Wissen auch schnell wieder verloren, wenn Mitarbeiter in den Ruhestand gehen oder den Arbeitsplatz wechseln“, bedauert der Materialforscher. Dies sei auch eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland, da gerade hierzulande die Metallographen fachlich sehr gut ausgebildet seien. „Der Ausbau einer gemeinsamen Wissensbasis sollte daher allen Anwendern ein Anliegen sein. Wir bieten die Datenbank dafür kostenlos an und geben Interessierten die Möglichkeit, eigene Rezepturen einzubringen“, sagt Professor Mücklich. In einem Forum könne man außerdem alle Probenpräparationen miteinander diskutieren und gemeinsame Regeln erörtern, inwieweit die Erfinder neuer Präparationsverfahren offen gelegt werden sollen.

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