Chemische Beschleuniger im Turbotest

Prof. Ferdi Schüth (MPI für Kohlenforschung, Mühlheim), Dr. Dirk Demuth und Dr. Wolfram Stichert (hte AG, Heidelberg) sind für den Deutschen Zukunftspreis nominiert

23.09.2010 - Deutschland

Mit einem Verfahren, das Prof. Dr. Ferdi Schüth, Direktor am Max-Planck- Institut für Kohlenforschung in Mühlheim, sowie die Wissenschaftler und Technologen der hte Aktiengesellschaft in Heidelberg um Dr. Dirk Demuth und Dr. Wolfram Stichert entwickelt haben, läuft die Suche nach neuen, leistungsfähigeren Katalysatoren heute bis zu hundert Mal schneller als noch vor wenigen Jahren. Mit dieser Erfindung wurden die Wissenschaftler für den Deutschen Zukunftspreis, den Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation, nominiert und haben es in die Endrunde der letzten drei Teams geschafft. Als Beschleuniger chemischer Reaktionen helfen Katalysatoren, Energie zu sparen, aus fossilen Rohstoffen mehr nützliche Produkte zu gewinnen und neue Energieträger wie Wasserstoff oder Treibstoffe aus Holzabfällen konkurrenzfähig zu machen.

„Am Anfang stießen wir auf große Skepsis, ob unser Hochdurchsatzverfahren industriell verwertbare Ergebnisse liefern könne“, sagt Prof. Ferdi Schüth, Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, der die ursprüngliche Idee für den Turbotest hatte. Zwar produzierte die Pharmaindustrie nach diesem Prinzip schon länger medizinische Wirkstoffe für neue Medikamente, aber dass die Methode auch unter den ungleich harscheren Bedingungen von Ölraffinerien und der Produktion chemischer Grundstoffe funktionieren könne, bezweifelten viele. „Heute suchen fast alle petrochemischen Unternehmen mit unserer Technologieplattform nach maßgeschneiderten Katalysatoren“, betont Dr. Dirk Demuth, Vorstandsvorsitzender der hte AG, die seit 2008 mehrheitlich zur BASF gehört. Die Entwicklungen der nominierten Forscher und des Teams der hte ermöglichen es, in einem parallelen und automatisierten Ansatz bis zu mehrere 100 Katalysatoren gleichzeitig in eine chemische Bewährungsprobe zu schicken. Die Suche nach neuen, effizienten Reaktionsbeschleunigern verkürzt sich damit um das zehn bis hundertfache - für die chemische Industrie ein großer Gewinn, schließlich entstehen fast alle ihre Produkte mit Hilfe von Katalysatoren.

Das Testverfahren ist nicht nur in der Petrochemie erfolgreich, sondern auf zahlreichen weiteren Gebieten. Etwa wenn Katalysatoren gefragt sind, die Biomasse wie Holz und Stroh in Treibstoff oder chemische Grundstoffe umwandeln oder solche, die bei der Reinigung von Autoabgasen mit kleineren Mengen des teueren Platins auskommen. Auch Materialien für leistungsfähigere Batterien, die Elektroautos mit Strom versorgen könnten, lassen sich mithilfe dieser Technik aufspüren. „Wie erfolgreich unser Konzept ist, zeigt sich auch daran, dass alle unsere Konkurrenten inzwischen ähnliche Ansätze verfolgen“, sagt Dr. Wolfram Stichert, Finanzvorstand der hte AG.

Komplexe Technik meistert schwierige Reaktionsbedingungen

Vor der Entwicklung der neuartigen Testmethode für Katalysatoren, nahmen Labormitarbeiter solche Tests in einzelnen Reaktorrohren vor und präparierten die Katalysatoren von Hand. Um viele solcher Untersuchungen in parallelen Reaktorrohren und möglichst automatisiert zu machen, mussten die Forscher zahlreiche technische Herausforderungen bewältigen. So sind die Bedingungen bei der Katalysatorsuche deutlich härter als in den bis dahin üblichen Hochdurchsatztests in der pharmazeutischen Forschung. Die Reaktorrohre müssen Temperaturen von 500 bis 1.000 Grad Celsius, hohen Drucken und aggressiven Chemikalien standhalten - in manchen Tests sogar mehrere Wochen lang. Entsprechend robust müssen die Materialien sein. Zwischen den einzelnen Reaktoren garantiert eine wärmeleitfähige Legierung, dass die Temperatur in allen Rohren konstant bleibt, selbst wenn eine Reaktion zusätzliche Wärme freisetzt. Denn brauchbare Ergebnisse kommen bei den Tests nur dann heraus, wenn sie unter kontrollierbaren, immer gleichen Verhältnissen ablaufen - und möglichst solchen, die nah an die industriellen Prozesse herankommen. Inzwischen liefern die parallelisierten Untersuchungen Erkenntnisse, die sonst nur Pilotanlagen bieten.

Um schneller einen neuen Katalysator zu finden, reichen solche Parallelreaktionen alleine nicht aus, sie müssen auch mehr oder weniger automatisch ablaufen. Daher werden die Ausgangsstoffe der Testreaktionen computergesteuert dosiert und über eine gemeinsame Zuleitung oder einzeln ansteuerbare Ventile, in die Reaktionsrohre geschickt. Am anderen Ende fängt ein System eigens entwickelter Ventile gasförmige Reaktionsprodukte auf. Ein Roboterarm steuert zudem die einzelnen Rohre an, um flüssige Produkte abzufangen. Je nachdem, wie gut die Forscher abschätzen können, was in einer Reaktion entsteht, analysieren sie den Produktmix mit unterschiedlichen Techniken, etwa einem Gaschromatografen und wenn nötig einem Massenspektrometer. Spezielle Software ermöglicht es, aus diesen Daten die Ergebnisse zu destillieren, mit denen die Chemiker einen Katalysator beurteilen können.

Diese Ergebnisse sind für die Industrie vor allem deshalb sehr aussagekräftig, weil die inzwischen 160 Mitarbeiter der hte AG die Tests individuell auf jeden Prozess zuschneiden. Aus einzelnen Modulen bauen sie für ihre Kunden Anlagen auf und berücksichtigen dabei die speziellen Verhältnisse, die im industriellen Alltag eines Unternehmens herrschen. Mit ihrer erfolgreichen Testanlage für Katalysatoren leisten die nominierten Wissenschaftler einen wichtigen Beitrag zum sparsamen Umgang mit Energie und Ressourcen. „Katalysatoren, die helfen, Energie zu sparen, fossile Rohstoffe effizienter zu nutzen und regenerative Energieträger zu erschließen, werden in Zukunft immer wichtiger“, betonen sie gemeinsam. Mit dem Deutsche Zukunftspreis würdigt der Bundespräsident Forscher und Entwickler, die ausgehend von exzellenter Forschung, neue Produkte erfolgreich auf den Markt bringen. Die Entscheidung über den Preisträger fällt am 1. Dezember 2010 in Berlin.

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