Getunte Enzyme: Zusätzliches Gastmolekül in der Bindetasche eines Enzyms ermöglicht Methanoxidation

09.03.2011 - Deutschland

Unsere Erdölreserven sind begrenzt. Wenn sie zu Ende gehen, gehen uns nicht nur Brenn- und Treibstoffe aus, auch die chemische Industrie verliert dann ihren wichtigsten Rohstoff. Erdgas dagegen wird bisher kaum als Rohstoff genutzt. Wenn es gelingt, Methan, den Hauptbestandteil von Erdgas, effizient in chemisch gut verwertbare Stoffe wie Methanol umzuwandeln, gewännen wir Zeit für den Umstieg auf alternative Rohstoffquellen. Manfred T. Reetz und ein Team vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr stellen in der Zeitschrift Angewandte Chemie einen neuen Ansatz zur enzymatischen Methanolherstellung aus Methan vor. Erfolgsgeheimnis ist das Einfügen eines inerten Gastes in die Bindetasche eines Enzyms, um diese so zu verkleinern, dass Methan effektiv binden kann.

Methanol eignet sich als Ausgangsprodukt für viele chemische Synthesen, zudem kann es konventionellen Kraftstoffen beigefügt oder in Brennstoffzellen verwendet werden. Konventionelle Verfahren zur Methanolherstellung aus Methan laufen über Umwege (Synthesegas) und sind ausgesprochen aufwändig, energieintensiv und benötigen hohe Temperaturen und Drücke. Die Natur hat dagegen einen wesentlich eleganteren Weg: Das erledigt das Enzym Methanmonooxygenase sanft und effizient. Unglücklicherweise ist es ein sehr komplexes Enzym, das sich nicht gut in künstlicher Umgebung erzeugen und nutzen lässt. Einen alternativen Ansatzpunkt könnte die Enzymfamilie Cytochrom P450 (CYP) darstellen. Ihre Hauptaufgabe ist die Oxidation diverser körpereigener und körperfremder Substanzen. Bei der Reaktion werden Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen zu Alkoholgruppen (–OH) oxidiert. Als aktive Komponenten enthalten die Enzyme ein Häm, einen Eisen-Porphyrinkomplex ähnlich wie in unserem roten Blutfarbstoff.

Das Problem: Die Bindetasche dieser Enzyme ist einfach zu groß, um kleine Moleküle wie Methan passgenau aufzunehmen und zu oxidieren. Statt nun auf aufwändige Weise zu versuchen, ein passendes Enzym zu kreieren, ließen sich Reetz und seine Mitarbeiter einen Kniff einfallen: chemisches „Tuning“ eines CYP-Enzyms. Die Wissenschaftler steckten einen zusätzlichen „Gast“ in die Bindetasche, um diese zu verkleinern.

Das natürliche Substrat für CYP-Enzyme sind Fettsäuren. Die Forscher wählten als Gast eine Verbindung, die einer Fettsäure ähnelt, eine Carbonsäure, bei der alle Wasserstoffatome der Kohlenwasserstoffkette durch Fluoratome ersetzt sind. Ein solches Molekül ist wasserabweisend wie das „Original“, nimmt aber mehr Raum ein. Die Fluoratome machen es chemisch inert, sodass es keine Reaktionen eingeht. Wie das Vorbild ist auch der Gast in der Lage, den Eisen-Häm-Komplex des Enzyms in seinen katalytisch aktiven Zustand (High-Spin-Zustand) zu bringen. In der nun wesentlich verkleinerten Bindetasche kann auch Methan effektiv binden und zu Methanol oxidiert werden.

„Der Weg zu einer technischen Nutzung ist noch sehr weit,“ sagt Reetz, „das Konzept öffnet jedoch eine Tür für weitere Entwicklungen, so auch bei der Oxidation anderer chemischer Stoffe.“

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