Einzelnes Atom speichert Quanteninformation

Mit einem denkbar winzigen Speicher könnte sich ein leistungsfähiger Quantencomputer konstruieren lassen

03.05.2011 - Deutschland

Kleiner kann ein Datenspeicher kaum sein: In einem einzelnen Atom haben Forscher um Gerhard Rempe am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching Quanteninformation gespeichert. Die Forscher schrieben den Quantenzustand einzelner Photonen, das sind Lichtteilchen, in ein Rubidium-Atom und lasen diesen nach einer gewissen Speicherdauer wieder aus. Dieses Verfahren lässt sich prinzipiell nutzen, um leistungsfähige Quantencomputer zu konstruieren und über große Distanzen miteinander zu vernetzen.

© Andreas Neuzner / MPI für Quantenoptik

Ein einzelnes Atom als Datenspeicher: In ein Rubidium-Atom zwischen zwei Spiegeln haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik Quanteninformation geschrieben und nach einer gewissen Speicherzeit wieder ausgelesen.

Quantencomputer sollen einmal bestimmte Rechenaufgaben im Handumdrehen bewältigen, für die heutige Computer Jahre bräuchten. Ihre enorme Rechenkraft sollen sie aus ihrer Fähigkeit beziehen, simultan die vielfältigen Informationen zu verarbeiten, die im Quantenzustand von mikroskopischen physikalischen Systemen, wie etwa von einzelnen Atomen oder Photonen gespeichert sind. Um arbeiten zu können, müssen die Quantenrechner diese Informationen zwischen ihren einzelnen Komponenten austauschen. Photonen eignen sich dafür besonders gut, weil mit ihnen keine Materie transportiert werden muss. Für die Speicherung und Verarbeitung der Informationen hingegen sollen Materieteilchen zum Einsatz kommen. Forscher suchen daher nach Verfahren um Quanteninformationen zwischen Photonen und Materie auszutauschen. Das gelang zwar bisher mit Ansammlungen von vielen tausenden Atomen. Dass sich Quanteninformation aber auch zwischen einzelnen Atomen und Photonen auf kontrollierte Weise austauschen lässt, haben nun die Physiker des Garchinger Max-Planck-Instituts für Quantenoptik gezeigt.

Die Nutzung eines einzelnen Atoms als Speichereinheit habe mehrere Vorteile, von denen die extreme Miniaturisierung nur einer sei, sagt Holger Specht vom Garchinger Max-Planck-Institut, der an dem Experiment beteiligt war. Die gespeicherte Information lasse sich durch gezielte Manipulationen am Atom verarbeiten, was für die Ausführung logischer Operationen in einem Quantencomputer wichtig sei. „Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit zu überprüfen, ob das Schreiben der im Photon gespeicherten Quanteninformation in das Atom erfolgreich war, ohne den Quantenzustand zu zerstören“, sagt Specht. So lasse sich frühzeitig erkennen, dass ein Rechenprozess wegen eines Speicherfehlers wiederholt werden muss.

Dass es bis vor kurzem nicht gelang, Quanteninformation zwischen Photonen und einzelnen Atomen auszutauschen liegt daran, dass die Wechselwirkung zwischen den Lichtteilchen und den Atomen sehr schwach ist. Atom und Photon nehmen sozusagen wenig Notiz voneinander vergleichbar mit zwei Partygästen, die kaum miteinander reden und somit wenig Information austauschen können. Die Garchinger Forscher haben die Wechselwirkung mit einem Trick verstärkt. Sie platzierten ein Rubidium-Atom zwischen die Spiegel eines optischen Resonators. Mithilfe sehr schwacher Laserpulse brachten sie einzelne Photonen in den Resonator. Die Spiegel des Resonators reflektierten die Photonen mehrmals hin- und her, was die Wechselwirkung zwischen Photonen und Atom stark erhöhte. Bildlich gesprochen begegnen sich die Partygäste somit öfter und die Chance, dass sie miteinander sprechen erhöht sich.

Die Photonen trugen die Quanteninformation in Gestalt ihrer Polarisation. Diese kann links zirkular (die Richtung des elektrischen Feldes dreht sich gegen den Uhrzeigersinn) oder rechts zirkular (im Uhrzeigersinn) sein. Der Quantenzustand des Photons kann beide Polarisationen gleichzeitig als einen sogenannten Superpositionszustand beinhalten. Bei der Wechselwirkung mit dem Photon wird das Rubidium-Atom normalerweise angeregt und verliert die Anregung dann durch die zufallsgesteuerte Emission eines weiteren Photons wieder. Das wollten die Garchinger Forscher nicht. Vielmehr sollte die Absorption des Photons das Rubidium-Atom in einen bestimmten, stabilen Quantenzustand bringen. Dies erreichten die Forscher durch einen weiteren Laserstrahl, den so genannten Steuerlaser, den sie zeitgleich mit der Wechselwirkung zwischen Photon und Rubidium-Atom auf letzteres richteten.

Eine Möglichkeit Quantencomputer zu vernetzen

Zu dem durch Steuerlaser und Photon erzeugten stabilen Quantenzustand trägt entscheidend bei, wie der Spin des Atoms ausgerichtet ist. Der Spin gibt dem Atom ein magnetisches Moment. Der stabile Quantenzustand, den die Forscher für die Speicherung nutzen, wird also durch die Ausrichtung des magnetischen Momentes bestimmt. Der Zustand zeichnet sich dadurch aus, dass er den Polarisationszustand des Photons wiederspiegelt: Die Richtung des magnetischen Momentes entspricht dem Drehsinn der Polarisation des Photons, wobei eine Mischung beider Drehrichtungen durch eine entsprechende Mischung der magnetischen Momente gespeichert wird.

Ausgelesen wird der Zustand durch den umgekehrten Vorgang: das erneute Einstrahlen des Steuerlasers bewirkt, dass das Atom das ursprünglich eingestrahlte Photon wieder emittiert. In den allermeisten Fällen stimmt die Quanteninformation im ausgelesenen Photon mit der ursprünglich gespeicherten überein, wie die Garchinger Physiker feststellten. Die Größe, die diesen Zusammenhang beschreibt, die so genannte Fidelity, lag bei über 90 Prozent. Das ist signifikant höher als die theoretisch mit klassischen, also nicht auf Quanteneffekten beruhenden, Methoden erreichbare Fidelity von 67 Prozent. Es handelt sich bei der in Garching entwickelten Methode somit um einen echten Quantenspeicher.

Die Physiker maßen die Speicherdauer, also die Dauer, für die sich die Quanteninformation im Rubidium bewahren lässt, von ungefähr 180 Mikrosekunden. „Das kann sich mit den Speicherdauern aller bisherigen Quantenspeichern auf Basis von Atom-Ensembles messen“, sagt Stephan Ritter, ein weiterer am Experiment beteiligter Forscher. Gleichwohl sei für die Anwendung in einem Quantencomputer oder einem Quantennetzwerk eine deutlich längere Speicherzeit notwendig. Auch ein weiteres Qualitätsmerkmal des Einatom-Quantenspeichers aus Garching sei noch verbesserungsfähig, nämlich die so genannte Effizienz. Sie gibt an, wie viele der eingestrahlten Photonen gespeichert und anschließend wieder ausgelesen werden. Diese lag bei knapp 10 Prozent.

Begrenzt werde die Speicherdauer hauptsächlich von Magnetfeld-Schwankungen aus der Umgebung des Labors, sagt Ritter. „Sie lässt sich daher erhöhen, indem man die Quanteninformation in magnetfeldinsensitiven Quantenzuständen des Atoms speichert.“ Die Effizienz sei dadurch limitiert, dass das Atom nicht still in der Mitte des Resonators sitzt, sondern sich bewegt. Dadurch nehme die Stärke der Wechselwirkung zwischen Atom und Photon ab. Auch die Effizienz können die Forscher daher noch verbessern, nämlich indem sie das Atom stärker kühlen, seine Bewegungsenergie also weiter herabsetzen.

An beiden Verbesserungen wollen die Forscher am Garchinger Max-Planck-Insititut nun arbeiten. „Wenn dies gelingt, sind die Perspektiven des Einzelatom-Quantenspeichers ausgezeichnet“, sagt Stephan Ritter. Die Schnittstelle zwischen Licht und einzelnen Atomen mache es möglich, mehr Atome in einem Quantencomputer miteinander zu vernetzen, als dies ohne eine solche Schnittstelle möglich wäre, was einen solchen Rechner leistungsfähiger machen würde. Außerdem werde es durch den Austausch von Photonen möglich, Atome über weite Strecken hinweg quantenmechanisch zu verschränken. Die Verschränkung ist eine Art quantenmechanische Verbindung zwischen Teilchen, die notwendig ist, um Quanteninformationen über weite Strecken zu transportieren. So könnte das jetzt am Max-Planck-Institut für Quantenoptik entwickelte Verfahren einmal zu einem wesentlichen Baustein eines künftigen „Quanten-Internets“ werden.

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