Binnenschiff-Prototyp «auf Wasserstoff»

Ein Hightech-Antrieb für die nächsten 100 Jahre

02.09.2011 - Schweiz

Umweltfreundliche Treibstoffe sind nicht nur für Autos interessant: Die «University of Birmingham» betreibt seit drei Jahren ein Kanalboot mit Brennstoffzellenantrieb. Im Schiffsbau gelten allerdings andere Gesetze als im Auto- oder Flugzeugbau: Das Gewicht spielt praktisch keine Rolle, doch der Antrieb sollte so lange halten wie das Boot selbst. Der Hydridspeicher – der Wasserstofftank – für diese anspruchsvolle Langzeitlösung wurde von der Empa entwickelt.

Eine der effizientesten Transportarten überhaupt ist die Verfrachtung per Schiff. Ausgerechnet dort stehen jedoch noch viele ältere Dieselmotoren im Einsatz – ohne Abgasreinigung, ohne moderne Elektronik. Die «University of Birmingham» startete vor drei Jahren einen ambitionierten Versuch: Ein altes Kanalboot wurde auf Wasserstoffantrieb umgerüstet. Dieselmotor samt Getriebe und Tank wurden entfernt; hinein kam ein hocheffizienter Elektromotor, ein Batteriepack für die kurzfristige Energieversorgung und eine Brennstoffzelle neben Wasserstoffspeicher, um die Batterien nachzuladen. Im September 2007 ging das Boot «Ross Barlow» auf Jungfernfahrt ins britische Binnenkanalnetz, das 3500 Kilometer lang ist. Letztes Jahr fand die bisher längste Reise statt: vier Tage über 105 Kilometer durch nicht weniger als 58 Schleusen – Zeit für eine Bilanz.

Großserienantrieb trifft auf massgefertigte Speichertechnik

Beim Umbau des 18 Meter langen Stahlbootes galt es zunächst, den Leistungsbedarf zu berechnen. Aufgrund von Erfahrungen mit anderen batteriebetriebenen Kanalbooten fiel die Entscheidung auf einen 10 Kilowatt starken Permanentmagnetmotor. Die Energie für längere Reisen liefert eine kommerzielle Brennstoffzelle mit 1 Kilowatt Dauerleistung, ursprünglich als unterbruchsfreie Stromversorgung (USV) für Telefonanbieter entwickelt. Die Leistung der Brennstoffzelle reicht jedoch nicht aus, um das Boot anzutreiben. Daher trägt die «Ross Barlow» eine Pufferbatterie von 47 Kilowattstunden (kWh) Kapazität in ihrem Bauch. Als Speichermedium wurden Bleiakkus verwendet – die sind wartungsarm, kostengünstig und leicht zu laden. Das Gewicht der Akkus spielt bei Binnenschiffen keine Rolle.

Die Wasserstoffversorgung der Brennstoffzelle übernehmen von der Empa entwickelte und vom Bundesamt für Energie (BFE) mitfinanzierte Hydridspeicher, die Wasserstoff mit einem Energieinhalt von 50 kWh aufnehmen können; das entspricht der Menge, die in 20 Gasdruckflaschen à 10 Liter steckt. Das Speichermaterial besteht aus einer pulverförmigen Legierung aus Titan, Zirkonium, Mangan, Vanadium und Eisen. Dieses Metallpulver ist in luftdichten Stahlrohren eingeschlossen, speichert Wasserstoff und gibt ihn bei Erwärmung wieder ab. Aus diesem Grund steckt jedes Speichermodul in einem Wassertank, der beheizt und auch gekühlt werden kann – denn beim «Auftanken» gibt das Metallpulver Wärme ab. Ausserdem verfügt das Schiff über ein Solarpanel, das bis zu 320 Watt elektrische Leistung liefert.

Be- und Entladen – 100 Jahre lang

Die Fahrt durch Kanäle und Schleusen bringt einen stark wechselnden Bedarf an Elektrizität mit sich. Um die Brennstoffzelle zu schonen, zieht der Motor den Fahrstrom aus den Bleibatterien. Eine typische Fahrt dauert vier bis sechs Stunden; dabei verbraucht das Kanalboot 12 bis 18 kWh Strom. Die Brennstoffzelle liefert im Dauerbetrieb 24 kWh Energie pro Tag. Davon müssen auch die elektronischen Überwachungssysteme versorgt werden, es stehen also rund 19 kWh zum Laden der Pufferbatterien zur Verfügung – genug Energie für eine sechsstündige Tagesreise.
Beständigkeit und Zuverlässigkeit des Metallhydridspeichers wurde zuvor im Labor überprüft. Für den Betrieb der «Ross Barlow» heißt das: Wenn das Schiff 650 Kilometer pro Jahr auf britischen Kanälen zurücklegt, muss es zwölfmal pro Jahr mit Wasserstoff betankt werden. In diesem Fall würde der Hydridspeicher mehr als 100 Jahre halten – und damit die Lebensspanne des Kanalbootes problemlos überdauern.

Ergebnisse der Testfahrt

Auf der viertägigen Sommerreise über 105 Kilometer wurden an Bord der «Ross Barlow» insgesamt 106 kWh Strom verbraucht – inklusive Beleuchtung und dem Laden von Handys und Laptops der Besatzung. Davon lieferte die Batterie 71 Prozent, die Brennstoffzelle 25 Prozent und das Solarpanel 4 Prozent. Einhellig lobte die Besatzung die praktisch lautlose Art, mit der sich das Boot fortbewegte. Beim Aufenthalt in den Schleusen fielen zudem die Abgase eines Schiffsdiesels weg. Das etwa gleich große, dieselgetriebene Begleitboot der «Ross Barlow» verbrauchte 50 Liter Diesel, was einem CO2-Ausstoß von 133 Kilogramm entspricht. Die «Ross Barlow» könnte sich dagegen völlig CO2-frei auf Reisen begeben – vorausgesetzt der Wasserstoff stammt aus erneuerbaren Quellen und wird emissionsfrei zum Kanalufer transportiert, an dem das Schiff auftankt.

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