Kosmische Kollisionen schmieden Gold

Die schwersten Elemente wie Gold oder Blei entstehen, wenn Neutronensterne zusammenstoßen

12.09.2011 - Deutschland

Der Ort, an dem die schwersten chemischen Elemente im Universum wie Blei oder Gold entstehen, dürfte nun gefunden sein: In einer heftigen Kollision verschmelzende Neutronensterne sind die idealen Produktionsstätten. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching und dem Exzellenzcluster Universe sowie an der Freien Universität Brüssel haben mit detaillierten numerischen Simulationen bestätigt, dass die relevanten Atomkernreaktionen tatsächlich dort ablaufen und dabei die schwersten Elemente in den beobachteten Häufigkeiten erzeugt werden.

Viele schwere chemische Elemente entstehen durch das nukleare Brennen in Sternen. So fusioniert auch im Inneren unserer Sonne ständig Wasserstoff zu Helium und setzt dabei Energie frei. Massereichere Sterne als die Sonne schmieden danach aus Helium schwerere Elemente. Dieser Prozess funktioniert aber nur bis hin zum Eisen. Weil weiterer Energiegewinn in Fusionsreaktionen nicht möglich ist, können noch schwerere Atomkerne so nicht erzeugt werden. Sie bilden sich durch Einfang von ungeladenen Neutronen auf mittelschwere Saatkerne.

Zwei Prozesse spielen hierbei eine besondere Rolle: der langsame und der schnelle Neutroneneinfang. Der langsame Neutroneneinfang oder s-Prozess (vom englischen slow für langsam) läuft bei niedrigen Neutronendichten im Inneren von Sternen in deren späten Entwicklungsstadien ab. Der schnelle r-Prozess (vom englischen rapid für schnell) benötigt sehr hohe Neutronendichten. Die Physiker wissen, dass dieser r-Prozess für die Entstehung eines großen Teils der schwersten Elemente (mit Kernmassenzahlen A > 80) verantwortlich ist, darunter Platin, Gold, Thorium und Plutonium. Allerdings standen die Wissenschaftler vor der Frage, in welchen astrophysikalischen Objekten dieser Prozess ablaufen kann.

„Die Herkunft von etwa der Hälfte der schweren Elemente im Universum war bisher ein ungelöstes Rätsel”, sagt Hans-Thomas Janka, leitender Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik und Mitarbeiter im Exzellenzcluster Universe. „Lange dachte man, dass sie in Supernova-Explosionen produziert werden könnten, neuere Modelle gehen aber von dieser Theorie weg.”

Ein anderes mögliches Szenario bieten Neutronensterne, die in einem Doppelsystem am Ende einer Jahrmillionen dauernden Entwicklung in einer gigantischen Kollision miteinander verschmelzen. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik haben nun zum ersten Mal zusammen mit einem Kollegen von der Freien Universität Brüssel die Vorgänge, die bei einer derartigen Verschmelzung ablaufen, in allen Schritten im Detail mit Computermodellen berechnet. Sie kombinierten dabei relativistische, hydrodynamische Simulationen des kosmischen Zusammenstoßes mit Berechnungen der Kernreaktionen von über 5000 Atomkernarten (chemische Elemente und deren Isotope) in der bei der Sternkollision gewaltsam ausgeschleuderten Materie.

Kernreaktionen im Weltall

„Durch Gezeiten- und Druckkräfte werden innerhalb von tausendstel Sekunden nach der Verschmelzung der Neutronensterne einige Jupitermassen extrem heißer Materie ausgestoßen”, erklärt Andreas Bauswein, der die Simulationen am MPA durchführte. Wenn sich dieses sog. Plasma auf unter zehn Milliarden Grad abgekühlt hat, laufen verschiedene Kernreaktionen ab, unter anderem auch radioaktive Zerfälle, und ermöglichen die Bildung sehr schwerer Elemente. „Die schweren Elemente werden dabei in verschiedenen Reaktionsketten mehrfach prozessiert (`recycelt'), wobei Zerfälle, die zur Spaltung superschwerer Nuklide führen, eine entscheidende Rolle spielen. Dadurch hängt die endgültige Häufigkeitsverteilung der entstandenen Elemente nur wenig von den Ausgangsbedingungen des Modells ab”, fügt Stephane Goriely hinzu, der Wissenschaftler der Freien Universität Brüssel und nukleare Astrophysiker des Teams.

Dies passt gut zur bereits länger gehegten Vermutung, dass nur die Reaktionseigenschaften der beteiligten Atomkerne ausschlaggebend für die produzierte Elementverteilung sein sollten und nicht die Ausgangsbedingungen des Systems, wie die Masse der beteiligten Neutronensterne. Nur so lässt sich verstehen, warum in allen untersuchten Sternen wie auch im Sonnensystem nahezu identische relative Häufigkeiten der schweren r-Prozess-Elemente beobachtet werden.

Die Simulationen zeigten, dass die Häufigkeitsverteilung der schwersten Elemente (mit Massenzahlen A > 140) sehr gut mit der in unserem Sonnensystem beobachteten übereinstimmt. Kombiniert man das Ergebnis der Modellrechnungen mit der geschätzten Zahl von Neutronensternkollisionen, die in der Milchstraße stattgefunden haben, so bestätigt sich, dass solche Ereignisse tatsächlich die Hauptquellen der schwersten chemischen Elemente im Universum sein können.

Um die theoretischen Vorhersagen weiter zu verfeinern, sind neue Studien geplant, sowohl zusätzliche Computersimulationen, die die physikalischen Prozesse noch genauer nachbilden, als auch Beobachtungskampagnen, um die frisch erzeugten schweren Elemente zum ersten Mal direkt am Ort ihres Entstehens nachzuweisen. Durch den radioaktiven Zerfall der superschweren Atomkerne wird das ausgeschleuderte Material nämlich stark geheizt und erstrahlt dadurch fast so hell wie eine Supernova-Explosion eines Sterns, wenngleich nur für wenige Tage. Astronomen suchen bereits fieberhaft nach derartigen Ereignissen.

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