Nanomagnete nach Maß
Forscher aus Jülich und Hamburg setzen magnetische Strukturen Atom für Atom zusammen
Quelle: Universität Hamburg
1959 stellte einer der bekanntesten theoretischen Physiker aller Zeiten, der spätere Nobelpreisträger Richard Feynman, seinen Kollegen der Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft diese Frage: Warum sollte es nicht möglich sein, alle 24 Bände der „Encyclopaedia Brittanica“ auf einen Stecknadelkopf zu schreiben? Was wie Science Fiction klang, war der Startschuss zu einer Entwicklung, deren Ende noch nicht abzusehen ist. 1982 konnten Atome zum ersten Mal einzeln abgebildet werden, 1989 gelang es Wissenschaftlern von IBM erstmals, einen Schriftzug aus einzelnen Atomen zusammenzusetzen.
Einen neuen Durchbruch erzielten nun Forscher aus Jülich und Hamburg. Ihnen gelang es, Atom für Atom magnetische Muster zusammenzusetzen und ebenfalls Atom für Atom ihre magnetischen Eigenschaften zu messen. An der Universität Hamburg nutzen die Forscher eine magnetisch sensitive Form der Rastertunnelmikroskopie, um jeweils drei bis zwölf Eisenatome auf einer Kupferoberfläche zu atomaren Ketten, Blumen und Sternen zusammenzusetzen und zu untersuchen. Die „Puzzlespiele“ im Miniaturformat sind für die Grundlagenforschung hoch relevant, da sich an ihnen Theorien überprüfen lassen. Und auch wenn die Untersuchungen der Forscher derzeit bei sehr tiefen Temperaturen stattfinden, könnten winzige Magnete aus nur einigen wenigen Atomen einmal die Bausteine einer Informationstechnologie bilden, die schneller als heute ist, weniger Energie verbraucht und neue Funktionalitäten besitzt.
„Dafür ist es nötig, Nanomagnete mit genau definierten Eigenschaften maßzuschneidern“, erläutert der Jülicher Physiker Prof. Stefan Blügel, Direktor am Institute of Advanced Simulation und am Peter Grünberg Institut. Ein erster Schritt dorthin gelang den Forschern. Sie konnten die magnetischen Eigenschaften ihrer Nanomagneten zuverlässig vorhersagen, basierend auf dem Wissen über die physikalischen Wechselwirkungen. Dazu nutzten sie eine in Jülich entwickelte Methode der theoretischen Physik.
Die Forscher fanden dabei eine Vermutung bestätigt: Die Form, in der die Atome angeordnet sind, die Zahl der Atome und deren Abstand beeinflussen die magnetischen Eigenschaften der Nanomagneten entscheidend. Eine Kette aus vier Atomen hat andere magnetische Eigenschaften als eine aus fünf Atomen, atomare Blumen haben wieder andere. „Jede Form hat sozusagen ihre eigene magnetische Persönlichkeit“, sagt Dr. Samir Lounis, Nachwuchsgruppenleiter am Jülicher Peter Grünberg Institut. Dies ist ganz anders als in der makroskopischen Welt, wo Eisenstücke immer die gleichen magnetischen Eigenschaften besitzen, egal ob sie etwa eine Kugel- oder eine Würfelform haben.
Die Forscher fanden mit Hilfe der Methode aus Jülich heraus, dass sie stets alle Wechselwirkungen zwischen allen Atomen eines Nanomagneten berücksichtigen müssen, nicht nur die zwischen Nachbaratomen. „Mit den Wechselwirkungen ist das ein bisschen wie beim Schachspiel“, vergleicht der Jülicher Physiker Prof. Stefan Blügel, Direktor am Institute of Advanced Simulation und am Peter Grünberg Institut. „Um beim Schach zu gewinnen, reicht es nicht aus, nur die nächsten Spielfiguren des Gegners im Auge zu behalten, sondern man muss viele mögliche Spielzüge auch weiter entfernter Spielfiguren berücksichtigen.“
Für die Kalkulation der Eigenschaften von Nanomagneten bedeutet dies: Sobald ein Atom hinzugefügt oder weggenommen wird, verändern sich die magnetischen Eigenschaften des gesamten Magneten von Grund auf. Stets müssen die Forscher für jede neue Form die Wechselwirkungen zwischen allen Eisenatomen berechnen. Da mit der Zahl der Atome die notwendige Rechenleistung stark ansteigt, begrenzt dies die Größe der vorhersagbaren Strukturen. Die Forscher untersuchen nun, wie man solche Rechenverfahren noch wesentlich schneller machen kann, so dass man in Zukunft tausende Atome simulieren kann.