Eisen sticht Edelmetall

Eine Eisen-Aluminium-Verbindung könnte einen Palladium-Katalysator ersetzen und die Produktion von Kunststoffen billiger machen

13.06.2012 - Deutschland

Chemiker mögen keine Edelmetalle – zumindest wenn sie die teuren Materialien als Katalysatoren brauchen, um Reaktionen zu beschleunigen oder in eine gewünschte Richtung zu lenken. Und das ist oft der Fall, etwa bei einem wesentlichen Produktionsschritt von Polyethylen. Ein Team um Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden und des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin hat dafür nun einen Reaktionsbeschleuniger aus Eisen und Aluminium entwickelt, der genauso gut wie der gängige Katalysator aus Palladium arbeitet, aber deutlich billiger ist. Identifiziert haben die Forscher die Alternative aus Eisen und Aluminium, indem sie zunächst systematisch klärten, welche Eigenschaften das Material aufweisen muss. Auf dieselbe Weise wollen sie künftig auch bei der Suche nach Katalysatoren für andere Reaktionen vorgehen.

Würde die chemische Industrie die Ausgangsstoffe von Polyethylen heute nicht routinemäßig über Palladium schicken, wären Plastiktüten ein einziges Ärgernis. Dann rissen die Tragetaschen nämlich schon, wenn sie nur ein paar Äpfel und eine Tüte Milch enthielten. Dass uns das erspart bleibt, verdanken wir der zuverlässigen Arbeit des Edelmetalls. Es verwandelt Ethin, das Chemiker auch Acetylen in Ethen, das auch als Ethylen bekannt ist und aus dem Polyethylen entsteht. Ethen enthält immer auch Spuren von Ethin, weil die beiden Substanzen aus Erdöl gewonnen werden und sich nicht einfach voneinander trennen lassen. Ethin stört die Reaktion von Ethen zu Polyethylen jedoch derart, dass ein schlechter Kunststoff entsteht, wenn das Ethin vorher nicht mithilfe des Palladiums zwei Wasserstoffatome angeheftet bekommt und so zum Ethen wird.

Bei 80 Millionen Tonnen Polyethylen, die weltweit jährlich produziert werden, addieren sich die Kosten für die Umwandlung von Ethin zu einer erklecklichen Summe. Sie könnten künftig jedoch deutlich sinken. Denn die Industrie kann jetzt möglicherweise auf den Palladium-Katalysator verzichten und stattdessen zu einer intermetallischen Verbindung aus Eisen und Aluminium greifen. Forscher des Dresdner Max-Planck-Instituts für Chemische Physik fester Stoffe, des Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin in Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Forschungszentrums Jülich haben das Material als probaten Palladiumersatz identifiziert, der Ethin genauso effizient zu Ethen hydriert wie edelmetallhaltige Katalysatoren.

Das katalytisch aktive Material muss in winzigen, isolierten Zentren vorliegen

„Dass sich diese Verbindung dafür so gut eignet, haben wir nicht durch Versuch und Irrtum herausgefunden, sondern durch einen wissensbasierten Ansatz“, sagt Marc Armbrüster vom Dresdner Max-Planck-Institut. Wissensbasiert heißt: Die Forscher haben das Wissen ausgenutzt, wie die Reaktion am Palladium genau stattfindet. Daraus leiteten sie ab, worauf es bei dem Katalysator ankommt, und suchten nach diesen Kriterien ein geeignetes Material.

Den ersten Anhaltspunkt lieferte den Wissenschaftlern die seit längerem bekannte Tatsache, dass auch Palladium nur dann das gewünschte Produkt liefert, wenn es in möglichst kleinen aktive Zentren vorliegt, etwa in Form von einzelnen Palladiumatomen in einer inaktiven Silbermatrix. Andernfalls bleibt die Reaktion der Ethin-Moleküle nicht bei der Semihydrierung stehen. Das heißt, das Ethin nimmt nicht nur zwei, sondern vier Wasserstoffatome auf und wird zu Ethan, das für die Kettenreaktion zum Polyethylen völlig unbrauchbar ist. „Die Ethin-Moleküle lagern sich an die winzigen Palladium-Zentren offenbar zwangsläufig so an, dass sie selektiv nur zwei Wasserstoffatome aufnehmen können“, erklärt Marc Armbrüster. Feinverteiltes Palladium in einer Silber-Legierung ballt sich unter den Bedingungen der Reaktion jedoch allmählich zu größeren Aggregaten zusammen, und der Katalysator büßt zunehmend an Selektivität ein.

In einer intermetallischen Verbindung lassen sich die aktiven Zentren strikt trennen

Das brachte Juri Grin, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden und Robert Schlögl, Direktor am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin bei einer Diskussion um 2004 zunächst auf die Idee, die aktiven Zentren, nämlich die einzelnen Palladiumatome, in einem Kristallgitter zu fixieren. Auf diese Weise bündelten sie die Kernkompetenzen von zwei Max-Planck-Instituten – für Katalyse in Berlin und für intermetallische Verbindungen in Dresden – in den folgenden Jahren zur Lösung eines wichtigen praktischen Problems. Der erste Erfolg dieser Kooperation stellte sich umgehend ein. Denn bei der Suche nach einem geeigneten Reaktionsbeschleuniger für die Semihydrierung von Ethin erwies sich eine Verbindung aus Gallium und Palladium schnell als Material der Wahl.

Dass es sich um eine intermetallische Verbindung handelt, und nicht um eine Legierung, wie sie Metalle gerne bilden, ist dabei entscheidend. Unter anderem weil sich die beteiligten Metalle darin anders als in Legierungen nicht mehr oder weniger wahllos mischen, sondern hoch geordnete Kristallstrukturen bilden. Dadurch unterscheidet sich der atomare Aufbau einer intermetallischen Verbindung von der ihrer Komponenten in Reinform. Im Fall der Gallium-Palladium-Verbindung umgibt sich jedes Palladiumatom in der Kristallstruktur ausschließlich mit katalytisch inaktiven Galliumatomen. Die einzelnen katalytischen Zentren sind also strikt voneinander getrennt.

Der Ersatz für den Palladium-Katalysator muss eine ähnliche Struktur besitzen

Der Erfolg der Grundidee ermutigte die Forscher nun zum nächsten Schritt – zur Suche nach einem Material, das sich katalytisch wie die Gallium-Palladium-Verbindung verhält, aber kein Palladium enthält. Dass sie dabei auf die Verbindung Al13Fe4 verfielen, liegt an dessen Kristallstruktur. Denn darin halten die Aluminiumatome die Eisenatome genauso auf Abstand wie die Galliumatome die Palladiumatome im Gallium-Palladium-Katalysator.

Das alleine macht aber noch keinen brauchbaren Katalysator für die Ethin-Umwandlung. Dafür taugt eine Verbindung nur, wenn sie die Ethin-Moleküle in gleicher Weise umsetzt wie  der palladiumhaltige Katalysator. Das wiederum hängt entscheidend davon ab, wie sich die Elektronen in dem Material verteilen, welche Energie sie besitzen und wie sie die Anbindung der Ethin-Moleküle beeinflussen. In diesen Punkten ähneln sich die Aluminium-Eisen- und die Gallium-Palladium-Verbindungen. Und tatsächlich vermittelt die Eisen-Aluminium-Verbindung ebenso zuverlässig genau zwei Wasserstoffatome an die Ethin-Moleküle wie der Palladium- Gallium-Katalysator.

Der Eisen-Aluminium-Katalysator könnte die Produktion vieler Kunststoffe verbilligen

Ehe die Industrie mit dem neuen Katalysator die Kosten der Polyethylen-Produktion senken kann, muss sich das Material noch in der großtechnischen Anwendung bewähren. Dann könnte der Katalysator auch bei der Produktion anderer Kunststoffe seine Qualität als selektiver Wasserstoffvermittler ausspielen.

Die Dresdner und Berliner Chemiker wollen unterdessen auch systematisch nach Katalysatoren für andere Reaktionen suchen. Eine wichtige Erkenntnis dieser Arbeit ist, dass der wissensbasierter Ansatz in der Katalyseforschung erfolgreich sein kann: Vielleicht führt das dazu, dass die chemische Industrie in ihren Reaktoren künftig einmal ganz ohne Edelmetalle auskommt. Viele Produkte für den alltäglichen Bedarf könnten dann billiger werden – und das würden nicht nur Chemiker mögen.

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