Elektrochemie und Mikrotechnik - Schlüssel für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit

Mikrotechnik - Milliardenmarkt mit Hebelwirkung

19.09.2002

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Ehrfeld, Ehrfeld Mikrotechnik AG, D-55234 Wendelsheim anläßlich der 53. Jahrestagung der International Society of Electrochemistry.

Auch im 21. Jahrhundert wird die tech­nische Entwicklung ganz entscheidend von Miniaturisierung und Integration geprägt werden. Neben der schon fast klassischen Disziplin der sich weiterhin dynamisch entwickelnden Mikroelektronik wird dabei die Mikrotechnik mit den Bereichen Mikrosensorik, Mikroaktorik, Mikrooptik, Mikromechanik, Mikroakustik, Mikrofluidtechnik, Mikroreaktionstechnik und anderen Mikrotechnologien eine immer wichtigere Rolle spielen. In einem Zeitraum von wenig mehr als zehn Jahren hat sich hier ein Multimilliardenmarkt entwickelt, der im Jahr 2002 - Flachdisplays als typische Produkte der Mikrotechnik eingeschlossen - weltweit ein Volumen von über 80 Milliarden Euro erreichen wird. Noch eindrucksvoller als dieses hohe Marktvolumen und die anhaltend zweistelligen Wachstumsraten ist die wirtschaftlich-technische Hebel­wirkung, mit der durch die Mikrotechnik die Machbarkeit, die Akzeptanz und die Wett­bewerbsfähigkeit einer inzwischen fast unüberschaubar großen Zahl von Makropro­dukten bestimmt werden.

Hier geht es um viele hundert Milliarden Euro. Denn ein modernes Kraftfahrzeug ist bereits heute nicht nur mit einem mikrotechnischen Airbag-Sensor, sondern mit min­destens zwanzig weiteren Produkten der Mikrotechnik für Motormanagement, Sicher­heit, Straßenlage und Komfort ausgerüstet und auch nur so marktfähig. Nur mit mikrotechnischen Bauelementen und Systemen der opti­schen Kommunikations­technik wie miniaturisierten Lasersystemen, Glasfaser-Steckverbindern, integriert-optischen Kopplern, Verzweigern und Multiplexern lassen sich die gigantischen Datenmengen handhaben, die heute im Internet und vielen Intranets bewegt werden. Unser Streben nach Mobilität und Komfort mit immer leichteren und leistungsfähi­geren Geräten beschleunigt die Entwicklung mikrotechnischer Bauelemente und Systeme weiter. Sie sind unverzichtbare Bestandteile in Produkten der modernen Medizintechnik, die vom Herzschrittmacher oder der mikrotechnischen Hörhilfe über Medikamenten-Dosiersysteme und pillengroße Kapselendoskope mit drahtloser Verbindung zur Außenwelt bis hin zu nicht invasiven Glukosesensoren für Diabetiker reichen.

Technologiebasis Elektrochemie

Die Elektrochemie ist Grundlage für viele Massenprodukte der Mikrotechnik. Bei der Herstellung von CDs und DVDs, bei denen die Information in Milliarden von mikroskopisch kleinen Vertiefungen gespeichert ist, werden durch galvanische Abscheidung hergestellte Matrizen aus Nickel eingesetzt und die Mikrogalvanik ist auch Basis der Fertigung von Düsenplatten für Tintenstrahldruckköpfe oder von Schreib-Lese-Köpfen für Festplattenspeicher. Mit der in Deutschland entwickelten LIGA-Technik, die auf den Fertigungsschritten Lithographie, Galvanik und Abformung beruht, werden optische Bauelemente für die Kommunikationstechnik, Mikrospektrometer für die Medizin und Mikrogetriebe für die Automatisierung produziert. Für eine Reihe weiterer Bauelemente der Mikrotechnik nutzt man das elektrochemische Abtragen, um mit winzigen Elektroden dreidimensionale Mikrostrukturen herzustellen. Bei den Labors auf dem Chip, die gegenwärtig eine neue Epoche in der medizinischen Diagnostik und der Entwicklung neuer Medikamente einleiten, nutzt man ebenfalls elektrochemische Effekte, um winzige Flüssigkeitsmengen zu dosieren und Biomoleküle zu analysieren.

Gleichzeitig entstehen ständig neue gemeinsame Anwendungsgebiete von Elektrochemie und Mikrotechnik und das technische Umfeld ganzer Branchen wird sich fundamental verändern. Man kann bereits heute zuverlässig prognostizieren, dass die Mikroreaktionstechnik die künftige Entwicklung von Chemie und Verfahrenstechnik wesentlich prägen wird. Mikroreaktionssysteme, bei deren Fertigung und Funktion die Elektrochemie eine wichtige Rolle spielen wird, werden künftig die Erforschung neuer Wirkstoffe und Funktions­materialien ebenso dominieren wie die Produktion von Feinchemikalien. Auch bei der Realisierung miniaturisierter Brennstoffzellen als Hochleistungs-Energiespeicher für Laptop, Handy und viele andere "Portables" für Unterhaltung und Information, wird die Technologiebasis durch Elektrochemie und Mikrotechnik geschaffen.

Paradigmenwechsel für die Zukunftssicherung

Im schnell wachsenden Multimilliardenmarkt der Mikrotechnik werden heute die wirklichen Probleme des schnellen technischen Fortschritts deutlich. Der Mangel an Fachkräften ist gravierend und vielen Unternehmen ist es nicht gelungen, eine ausrei­chend breite Technologiebasis für ihre Zukunftssicherung aufzubauen. Wie schwierig dies ist, wird unmittelbar deutlich, wenn man sich klar macht, dass der Fortschritt heute an interdisziplinäre Problemlösungen gekoppelt ist, wie die enge Verbindung von Elektrochemie und Mikrotechnik zu einer gemeinsamen Wissensplattform so deutlich zeigt. Die Hochschulen und die Forschungs­einrichtungen können hier in vielfältiger Weise helfen, aber letztlich wird der wirtschaftliche Erfolg nur von der Dynamik der Unternehmen und ihrer Innovationskraft abhängen. Hier beginnt sich ein attraktiver Markt für junge High-Tech-Firmen zu entwickeln, die als Forschungsunternehmen, wie in den USA seit langem demonstriert, technische Innovationen nicht selbst umsetzen, sondern wie Produkte an andere Unternehmen verkaufen.

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