Mit Diamant zum Supermikroskop
Kernspinsignale in wenige Nanometer kleinem Öltropfen nachgewiesen
© Universität Stuttgart
Stickstoff-Leerstelle in Diamant als Minisensor
Beide Gruppen verwendeten als Magnetfeldsensor eine Stickstoff-Leerstelle in Diamant, ein rot leuchtender Farbdefekt, wie er in großer Zahl in roten Schmuckdiamanten vorkommt. Die Implantation dieser Minisensoren in den Diamant erfolgte am RUBION, der Zentralen Einrichtung für Ionenstrahlen und Radionuklide der RUB. Durch geschickte Manipulation mit Mikrowellen und Laserlicht lässt sich aus dem Licht eines einzelnen solchen Farbzentrums das Magnetfeld seiner Umgebung auslesen. Ein sehr flaches Farbzentrum, das nur wenige Atomlagen unter der Diamantoberfläche liegt, kann somit das Magnetfeld von Molekülen auf der Oberfläche messen. Genau dieser Schritt ist den Forschern jetzt gelungen: Sie haben mit dieser Technik das Magnetfeld der Atomkerne in Öl und Plastikbeschichtungen nachgewiesen, die sie auf die Diamantoberfläche aufgebracht hatten. Sie nutzten dabei die Tatsache, dass Atomkerne ein charakteristisches Magnetfeld erzeugen, das mit einer bestimmten Frequenz schwingt. Dieser Effekt wird unter anderem auch in klinischen Kernspintomographen genutzt, die durch das Aufnehmen einer Magnetfeldkarte die Verteilung von Wasserstoffkernen im menschlichen Körper sichtbar machen. Klinische Geräte können hierbei lediglich Details von einem Millimeter Größe auflösen. Die neue Methode kann dagegen Kernspinsignale in einem millionenfach kleineren Volumen von nur wenigen Nanometern Größe nachweisen. Dieses Volumen entspricht einem einzelnen biologischen Molekül, etwa einem Antikörper.
Der Wettlauf geht weiter
Die Detektion von Kernspinsignalen solch kleiner Mengen war bisher nur mit extrem aufwendigen Anlagen möglich, die in Vakuum und bei Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts arbeiten. Die jetzt veröffentlichte Technik funktioniert dagegen bei Raumtemperatur und besteht lediglich aus einem Kunstdiamanten in einem Mikroskop. Der Aufbau benötigt nicht einmal ein hohes Magnetfeld, ist technisch also sogar einfacher als klinische Tomographen. Die nächste große Herausforderung besteht darin, diesen Sensor zur Aufnahme von dreidimensionalen Kernspin-Bildern einzusetzen. In beiden jetzt veröffentlichten Studien war das verwendete Farbzentrum fest in das Diamantgitter eingebaut. Das Magnetfeld der Beschichtung ließ sich damit zwar nachweisen, nicht aber abbilden. Das gemessene Signal entspricht gewissermaßen einem einzigen Pixel eines Kernspin-Bildes. Um ein komplettes Bild aufzunehmen, müsste beispielsweise ein Nano-Diamant mit einem einzelnen Farbzentrum als Sensor in ein Rastersondenmikroskop eingebaut werden. Alternativ könnten, wie in klinischen Tomographen, Magnetfeldgradienten das Bild im Signal der Kerne codieren. Beide Schritte scheinen machbar und lassen es realistisch erscheinen, in naher Zukunft dreidimensionale Bilder einzelner Moleküle aufzunehmen. Dieses Ziel wird in zahlreichen Labors auf der ganzen Welt mit großem Aufwand verfolgt. Mit welchem Hochdruck das geschieht lässt sich auch daran ablesen, dass der jetzige Durchbruch zeitgleich in zwei Arbeitsgruppen gelungen ist. Das Rennen um den nächsten großen Schritt ist mit der jetzigen Veröffentlichung bereits eröffnet.